Zeitungskriegers große Pleite

Seit einem Monat leitet Kai Diekmann die „Bild“-Redaktion und schon ist ihm mit dem falsch beschrifteten Trittin-Foto ein schwerer Fehler unterlaufen

von MATTHIAS URBACH
und PATRIK SCHWARZ

Die Entschuldigung kommt klein daher, der Ärger im Springer-Verlag dürfte größer ausgefallen sein. Oben links auf Seite 2 nahm Bild gestern ihre Behauptung zurück, Jürgen Trittin sei 1994 mit bewaffneten Autonomen marschiert. Auf einem großformatigen Foto in der Montagsausgabe „wurde auf einen Bolzenschneider und einen Schlagstock in den Händen von Demonstranten hingewiesen. Das war falsch“, heißt es im Text. Die Auswertung weiterer Fotos und Videobänder habe ergeben, dass es sich um ein Seil und einen Handschuh handelte. „Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.“ Eine Manipulation des Fotos bestritt man aber.

Niemandem kommt der Fehler ungelegener als Kai Diekmann: Pünktlich zum Ende seines ersten Monats als Bild-Chefredakteur hat er seine erste große Pleite erlebt. Seinen Herren im Springer-Verlag beschert Diekmann auf diese Weise einen Rückschlag in einem Zeitungskrieg, wie es ihn seit der Kanzlerschaft Willy Brandts nicht mehr gegeben hat. Nach zwei leidlich harmonischen Jahren ist seit kurzem zwischen dem Verlag und der rot-grünen Koalition offener Streit ausgebrochen. Die Regierung fühlt sich verfolgt, seit mit Mathias Döpfner im Vorstand und Diekmann auf dem Bild-Sessel zwei ausgewiesene Konservative die Linie bestimmen. Mit „gezielter Personalisierung und Diffamierung“ werde da operiert, klagen Insider. Anders als zu Brandts Zeiten treffen die Springer-Leute auf eine gut organisierte Abwehr. Politisch geprägt in den 70er-Jahren, wollen der Medienkanzler Schröder und seine Helfer unbedingt eine Wiederholung jener wilden Kampagnen verhindern. Auch Trittin nutzt die Gunst der Stunde. Ob es sich um eine Kampagne handele, wird er gefragt: Dafür, so Trittin, gebe es „sehr, sehr ernst zu nehmende Indizien“.

Trittin ist eigentlich Kummer gewohnt. Formulierungen im Zusammenhang mit seiner Politik wie „und jedes Mal neuer Unsinn“ oder „Trittin nervt die Deutschen“ bringt die Bild-Zeitung nicht erst seit Jahreswechsel. Bei ihm verstößt sie auch schon mal gegen übliche journalistische Standards und zitiert Sätze aus vertraulich geführten Interviews, obwohl diese nicht vom Minister autorisiert wurden. Im Führungsstab des Umweltministerium hat sich längst die Einschätzung festgesetzt, egal was der Minister mache, er werde in Bild immer als Verlierer dargestellt.

Und doch zeigt sich Trittins Sprecher Michael Schroeren durch die jüngste Panne bei Bild getroffen: „Das macht schon stutzig.“ Zumal, wenn auch Welt am Sonntag (WamS) und das Berliner Boulevardblatt B. Z. (beide Springer) ebenfalls Falschmeldungen kolportierten. In den Berichten der beiden Blätter geht es um eine Veranstaltung der CDU-Studentenorganisation RCDS an der Uni Göttingen von 1979, die von Mitgliedern des damaligen Asta durch Pfeifkonzerte und Eierwürfe gesprengt wurde.

Darunter Jürgen Trittin. Die WamS zitiert einen der damaligen RCDSler, der mit dabei war: Stephan Walter. Dem habe Trittin im Tumult ein Mikrofonkabel um den Hals gewickelt. Zitat in WamS: „Ich fürchtete schon, ich würde erwürgt.“ Als die taz Walter auf dieses Zitat anspricht, reagiert er genervt vom WamS-Reporter. Trittin habe ihn kein Kabel um den Hals gewickelt und auch sonst nicht attackiert. Zwar hätten sich andere Asta-Mitglieder auf ihn geworfen, um ihm das Mikrofon zu entwinden. Aber: „Trittin hat mir definitiv nichts getan – ich kann mir nicht erklären, warum die das so darstellen.“ Nicht dass Walter besonders gut auf Trittin zu sprechen wäre, denn der sei entscheidend an der Verhinderung der Veranstaltung beteiligt gewesen. Aber nicht gewalttätig. Trotzdem stellt auch die B. Z. es so dar, als hätte sich Trittin Schläger gehalten, die ihm RCDSler gewaltsam vom Hals hielten.

Der Konflikt zwischen dem Springer-Verlag und der Bundesregierung war in der letzten Woche offen zutage getreten. In einem Zeit-Interview machte der Kanzler eine „abgesprochene Strategie“ aus zwischen der CDU und „den neuen Leuten bei Springer, die offenkundig diesen Verlag politisch einsetzen wollen.“ Die Äußerungen waren kaum erschienen, da griff Zeitungsvorstand Mathias Döpfner persönlich in die Tasten, um in einem Bild-Kommentar sein Haus gegen Gerhard Schröder zu verteidigen: „Der Bundeskanzler sucht einen Sündenbock“. Nun, da seine Bild-Truppe zumindest der parteilichen Fahrlässigkeit überführt ist, steht der künftige Vorstandsvorsitzende blamiert da.