Im Schattenreich

800-Meter-Läufer Nico Motchebon muss einräumen, immer nur die falschen Rennen gewonnen zu haben

KARLSRUHE taz ■ Manchmal muss sich Nico Motchebon darüber wundern, wie rasch es ging, dass die Leichtathletik-Welt das Interesse an ihm verloren hat. Der 31-Jährige hat freilich schon immer geahnt, „wie schnell man in diesem Geschäft abgeschrieben wird“. Als er es am eigenen Leib spüren musste, war der gebürtige Berliner „ein bisschen überrascht. Damit rechnet man einfach nicht“, sagt er.

Überraschend kam auch das Pfeiffersche Drüsenfieber, jene boshafte Viruserkrankung, die Motchebon seit Sommer letzten Jahres zum Pausieren zwang. Er musste mit ansehen, wie in Sydney ein blonder Sportskamerad zum neuen deutschen Volksheld aufstieg, Nils Schumann siegte ausgerechnet auf Motchebons Spezialstrecke. Seither bekam der Sohn eines Arztes aus Kamerun nicht selten zu spüren, „dass alle meinen, es gebe hier zu Lande nur noch einen einzigen 800-Meter-Läufer“. Er gibt zu: „Damit umzugehen ist schwierig.“

Zumal sich sportlich nicht so viel geändert hat, meint Motchebon. Okay, es gebe in Deutschland jetzt einen 800-m-Olympiasieger, aber, sagt der einstmalige Hallen-Europarekordler und vor vier Jahren in Atlanta immerhin Olympiafünfte, „leistungsmäßig hat sich nichts geändert“. Denn nach wie vor ist es so, dass Nils Schumanns Bestzeit von 1:44,22 Minuten ziemlich genau eine halbe Sekunde hinter die von Motchebon zurück fällt. Doch das interessiert niemanden – nicht mehr. Weil Schumann in Sydney ein günstiges Rennen erwischt habe, „in dem der Geschickteste gewonnen hat“. Und da „ein Sportlerleben zu 80 Prozent aus Niederlagen besteht“, wie Motchebon findet, komme es bei den verbleibenden 20 Prozent um so mehr darauf an an, „die richtigen Rennen zu gewinnen. Da“, glaubt Motchebon, „hat Nils wohl Glück gehabt.“

An ihm klebte das Pech. Ausgerechnet nach der Olympiasaison liefen fast alle Sponsorenverträge aus. „Einige von denen haben mir ziemlich deutlich gesagt, dass sie kein Interesse mehr an mir haben“, erzählt Motchebon. Selbst sein Ausrüster (adidas) hat nicht verlängert. Motchebon trägt jetzt die Klamotten der letzten Saison auf. Im Land des Olympiasiegers neue Geldquellen aufzutun, wird nicht einfach werden für den Mann, der nach wie vor für LAC Quelle Fürth/München startet („Die haben mir die Stange gehalten“). Er wird sich die Märkte selbst erschließen müssen, schließlich regelt sein bisheriger Manager Klaus Kärcher nun die großen Geschäfte des Kollegen Schumann. Motchebon hat davon aus der Zeitung erfahren.

Wie’s weitergeht, kann der ehemalige Vizeweltmeister im Modernen Fünfkampf derzeit nicht sagen, überdies weiß er nicht, wie das Pfeiffersche Drüsenfieber in diese Saison nachwirkt. Der erste Start seit sieben Monaten in Karlsruhe war mit 1:48,23 Min. „nicht so zufriedenstellend. Es ging noch „zu schwer“. Vier Starts in der Halle stehen noch auf dem Plan. Am Sonntag startet er beim Hallenmeeting in Stuttgart. Motchebon sagt: „Dann hoffe ich, dass es im Sommer wieder richtig gut läuft.“ Weil es sonst leicht sein letzter Sommer als 800-Meter-Läufer sein könnte: „Wenn die Saison in die Hose geht, muss ich mich wohl nach etwas anderem umsehen.“ FRANK KETTERER