Flatterhafter Zeichengeber

Unter Clinton noch ein konsequenter Haushaltssanierer wandelte sich der Chef der US-Zentralbank, Alan Greenspan, unter Bush zum Freund der Steuersenkungspolitik

BERLIN taz ■ Schon wenn Alan Greenspan morgens aus dem Haus geht, lauern Börsianer auf ein Zeichen: Trägt er seine Aktentasche links oder rechts? Lässt er sich die Türe aufhalten, oder stößt er sie selbst auf? Ja, stößt er sie auf, oder drückt er sachte auf die Klinke? Jede noch so kleine Geste des Chefs der amerikanischen Zentralbank Fed, so heißt es, kann entweder Aktienkurse in den Keller stürzen oder zu einem Kursfeuerwerk führen. Schwungvolles Türöffnen bedeutet womöglich Unmut. Unmut über drohende Inflationsgefahr etwa – Verkaufen!!! Denn das könnte heißen, dass sich hinter Greenspans zerfurchter Stirn eine Zinserhöhung zusammenbraut. Folge: Die Aktienkurse sinken.

Seit dem Regierungswechsel in den USA sinken allerdings weniger die amerikanischen Aktienkurse als das Ansehen des weltweit wichtigsten Finanzgurus. Greenspan, bislang als Wachhund eines starken Dollar bekannt, soll nun plötzlich politische Interessen über ökonomische Raison stellen. Kritiker werfen ihm vor, sich zu eng an die Regierung von George W. Bush zu schmiegen. Nicht, dass sich Greenspan nicht schon längst als Konservativer geoutet hätte: 1967 unterstüzte er den republikanischen Präsidenten Richard Nixon im Wahlkampf, 1980 Ronald Reagan, der ihn 1987 dann auch an die Spitze der Notenbank berief.

Doch unter Clinton galt Greenspan noch als Garant einer Stabilitätspolitik, der vor allem eins nicht wollte: Inflation. Just zum Machtwechsel nun senkte der Fed-Chef die Zinsen gleich zweimal um insgesamt ein Prozent – ein deutlicher Kurswechsel. Hat Greenspan sich an die 80er-Jahre erinnert, als sein Vorgänger Paul Volcker mit seiner restriktiven Geldpolitik mit Reagans Wirtschaftsplänen ins Gehege kam? Reagan setzte damals auf Steuersenkungen – Bush junior will es ihm nachmachen. Oder sind die Zinssenkungen die vernünftige Konsequenz, die Greenspan aus dem abgeschwächten Wachstum zieht? Kritiker aus den Reihen der Demokraten fügen aber noch hinzu, dass Greenspan sich seit neuestem für Steuersenkungen ausspricht. Damit öffne er das Tor für die Wiederkehr des fiskalpolitischen Leichtsinns, schimpfte Senator Paul Sarbanes. Tatsächlich hatte Greenspan selbst früher gewarnt, falls die Konjunktur sich abschwäche, würden Steuersenkungen wieder ein Loch ins Budget reißen. Deshalb hatte er bisher Clintons Kurs der Haushaltssanierung mitgetragen.

KATHARINA KOUFEN