„Und ich wollte vier“

Früher wollte sie unbedingtKinder und hat jetzt keines:Eine 37-Jährige erzählt

Ich wollte immer vier Kinder haben. Jetzt bin ich 37 Jahre alt – und kinderlos. Statt Mutter bin ich Tante geworden; meine beiden jüngeren Brüder haben jeder drei Kinder. Und nie habe ich mich bewusst entschieden. Weder für meine vier Kinder noch gegen sie.

Diese vier Kinder der Zukunft gehören zu meiner Vergangenheit, seit ich denken kann. Sie gehörten so selbstverständlich zu mir wie meine Mutter. Ich war ihre Älteste, die einzige Tochter; und dass ich meiner Mutter ähnlich bin, daran zweifelten weder sie noch ich. Und da sie ihre drei Kinder als die Lebensaufgabe betrachtete, übertrug ich dieses Modell auf mich – und erhöhte auf vier. Wahrscheinlich, weil irgendeine Abweichung erkennbar sein musste.

Wie fraglos ich diese vier Kinder als meine Bestimmung sah, wurde mir allerdings erst im Rückblick klar – als ich sie immer noch nicht hatte. Als ich ungewollt berufstätig werden musste. Da war ich 31 Jahre alt und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einer Stiftung. Ich fühlte mich wie festgeklebt auf dem Bürostuhl, sah mich auf ihm durchs Leben rollen. Immer geradeaus bis zur Rente. Zu mehr reichte meine Fantasie nicht.

Orientiert auf das Vorbild meiner Mutter, war ich orientierungslos. Was für viele männliche Berufsanfänger seit der Grundschule selbstverständlich ist – die „Karriereplanung“ –, war für mich nicht vorstellbar. Ich wusste nicht, was ich als Berufstätige machen, werden oder erleben wollte. Stattdessen musste ich mir eingestehen, dass ich meine drei Ausbildungen und das Studium auch gewählt hatte, damit ich anschließend alt genug wäre, um bruchlos vom Magister in die Babypause zu wechseln. Es fehlte nur der Mann für den Vier-Kinder-Plan.

Mit dem Ende des Studiums endete auch meine langjährige Beziehung. Nicht dass er sich vorher willig gezeigt hätte, Vater meiner Kinder zu werden – aber das ignorierte ich lieber. Bis ich mich eben ohne Freund und ohne Baby wiederfand und ungeplant ins Arbeitsleben geriet. Die Kollegen waren nett, mussten mich aber trotzdem für den Berufsalltag erziehen. Ich hatte noch nie im Team gearbeitet – und leider gehört zu jedem Team, dass intern auch kritisiert wird. Das war ich nicht gewohnt und beneidete alle Frauen, die in den Erziehungsurlaub fliehen durften. Hätte sich damals ein geeigneter Vater präsentiert: Ich hätte sofort mein ältestes Kind angesetzt. Aber es kam keiner.

Stattdessen vergingen die Berufsjahre, bis ich überrascht das Jubiläum der ersten fünf begehen konnte. Nie hätte ich angenommen, dass ich so lange durchhalten würde, hatte am Anfang immer wieder von der Teilzeit geträumt. Inzwischen verstehe ich jedoch sehr gut, warum kaum ein Mann seinen Erziehungsurlaub nimmt: Ist der Schock der Teamarbeit einmal überwunden, ist sie so anregend und ausfüllend, dass ich für ein Kind nicht mehr darauf verzichten würde. Jetzt müsste ich nicht mehr nur einen willigen Vater treffen, wie früher, sondern einen Teilzeit-Vater. Auch das ist bisher nicht geschehen.

Immer wenn ich meine Nichten und Neffen sehe, stellt sie sich wieder, diese ewige Frage: Sollte ich nicht doch ein Kind bekommen? Und sei es allein? Auch wenn ich es jetzt nicht vermisse? Zur Sicherheit, damit ich nichts verpasse? Noch kommt mir diese Erlebnis-Vorratshaltung absurd vor. Aber wer weiß. Was aus meinen vier Kindern wurde – darüber kann ich endgültig erst nach der Menopause berichten.

ANNA BLOMBERG