Waffen neben Tomaten

Die durchschnittliche somalische Familie hat mindestens eine Handfeuerwaffe im Schrank, bevorzugt, des günstigen Preises wegen, die russische Kalaschnikow. Ein Besuch bei einen somalischen Waffenhändler auf dem Markt in Bosasso

Spotlights aus Afrika: taz-Korrespondent Peter Boehm reist für fünf Monate quer durch den Schwarzen Kontinent, und zwar von Osten nach Westen: von dem somalischen Ras Hafun (Puntland) bis nach Dakar in Senegal. Als Ziel hat er sich selbst gesetzt, keinen Meter mit dem Flugzeug zurückzulegen. In einer taz-Serie wird Boehm in den nächsten Wochen regelmäßig von den verschiedenen Stationen seiner Reise durch die Sahelzone berichten. Geschichten von unterwegs. Alltägliche Begegnungen, Eindrücke am Wegesrand. Erzählungen aus Schwarzafrika jenseits der Horrormeldungen und Katastrophen, die das Bild des Kontinents hierzulande hauptsächlich bestimmen.

von PETER BOEHM

Vor dem Aufbruch kauften wir noch etwas Proviant. Nach Mineralwasser und Plätzchen wurde unserem Fahrer auch eine Kalaschnikow ins Auto gereicht. Nanu, kriegt man die etwa auch an dem Kiosk? Der Fahrer verneinte. Er wohne in der Nähe und habe das Gewehr nur dort deponiert. Er habe es schon vor zwei Jahren auf dem Waffenmarkt von Bosasso gekauft.

So einen Waffenmarkt hat in Somalia jede größere Stadt. Auf dem Markt in Bosasso, der größten Stadt der autonomen Region Puntland, in der nordöstlichen Ecke des Landes gelegen, kann man zwar nicht wie in Mogadischu Raketenwerfer und Flugabwehrgeschütze kaufen, aber eine reiche Auswahl an Gewehren und Pistolen bietet auch Herr Mohamoud seinen Kunden an. Umgeben von Lebensmittelhändlern und einem Teeladen hat er seine zwei Stände aufgebaut: einen für die gern gekaufte Kalaschnikow; den zweiten für deutsche G3, US-amerikanische M16 sowie Pistolen aus Italien und Belgien. Die Waffen am zweiten Stand gibt es allerdings nur gebraucht, weil sie nach dem Zusammenbruch des somalischen Staats nicht mehr geliefert wurden. Die gesamten Waren bekommt Herr Mohamoud durch seine Mittelsmänner aus Mogadischu oder dem am Golf von Aden gegenüber liegenden Jemen.

Die Gewehre stehen zur Präsentation in jeweils einer Ausführung an Holzkisten gelehnt. Herr Mohamoud nimmt sie in Anschlag, lädt sie durch und spricht dabei über seine Waren, als ob er Tomaten oder ein Waschmittel anpreisen würde. Die Passannten, zumeist Frauen, die ihre morgendlichen Einkäufe erledigen, lassen sich davon nicht beeindrucken. Allenfalls gehen sie in Deckung, wenn damit in die Luft geschossen wird. Denn wie man an den Feuerstößen hören kann, die ab und an vom Hauptmarkt dröhnen, dürfen die Interessenten die Waffen jederzeit ausprobieren.

Eine fabrikneue Kalaschnikow geht zurzeit für 200 US-Dollar, eine gebrauchte für die Hälfte über den Ladentisch. Das G3 ist am teuersten, weil es das größte Kaliber hat und, wie Herr Mohamoud fachlich-trocken feststellt, „die größten Löcher macht“. Das bessere Geschäft macht Herr Mohamoud jedoch mit der Munition, denn die durchschnittliche somalische Familie hat zu Hause schon mindestens ein Gewehr im Schrank stehen. Heute zum Beispiel hat Mohamoud schon Patronen im Wert von 200 US-Dollar verkauft.

Seit Mogadischu eine neue Regierung hat, wird im Süden wieder öfter gekämpft. Und bevor die Leute dorthin fahren, erzählt Herr Mohamoud und strahlt dabei über das ganze Gesicht, so dass ein Schneidezahn aus Platin in seinem Mund aufblitzt, decken die Leute sich lieber mit Patronen ein. An den Tagen, an denen Kämpfe gemeldet werden, schlägt der Waffenhändler sogar 50 Prozent auf den Preis aller seiner Waren auf.

Aber, aber, Herr Mohamoud! Er müsse ja auch überleben, verteidigt er sich und berichtet gleich darauf, wie er es dank seines heutigen Metiers sogar zum angesehenen Bürger Bosassos gebracht hat. Bis vor fünf Jahren hatte er nämlich noch einen kleinen Teeladen. Aber der lief gar nicht gut. Dann wechselte Herr Mohamoud ins Waffengeschäft und versorgt nun die Polizeitruppe der puntländische Regierung mit den notwendigen Waffen. Sie hat ihm deshalb sogar schon ein paarmal Schutz antragen wollen. Aber Herr Mohamoud hat abgelehnt: „Sie haben ja die Waffen und die Patronen gesehen. Die können jederzeit zusammengesteckt werden!“, sagt er gelassen.