Flüchtiger Elf-Manager in Manila gefasst

Alfred Sirven, Schlüsselfigur im Schmiergeldskandal, wird nach seiner Festnahme an Frankreich ausgeliefert. Ausfindig machten ihn Journalisten. Der vor zwei Wochen begonnene Prozess gegen den Mineralölkonzern wird unterbrochen

PARIS taz ■ „Allô, c'est Alfred!“ – Seit gestern ist die rauhe Stimme mit dem Akzent des französischen Südwestens wieder da. Dieses Mal meldet sich Alfred Sirven aus Manila auf den Philippinen, wo der mit vier internationalen Haftbefehlen gesuchte Franzose gestern Morgen verhaftet wurde. Zahlreiche Mächtige – von französischen Sozialisten und Neogaullisten über afrikanische Politiker bis hin zu deutschen Christdemokraten – müssen jetzt vor Geständnissen des 74-Jährigen bangen.

Der einstige Spitzenmanager von Elf war der Mann fürs Finanzielle – er soll derjenige sein, der die millionenschweren Geheimkommissionen überwies, mit denen der Mineralölkonzern seine Geschäfte in aller Welt anbahnte. Sirven selbst hat schon vor Jahren geprahlt, dass seine Aussagen ausreichen würden, um die „französische Republik zwanzigmal zu sprengen“.

Der Rentner im tief aufgeknöpften blau-weiß-karierten Hemd, der gestern in Manila in Handschellen einen kurzen Auftritt vor der Presse hatte, wirkte entspannt. „Das alles ist ein politischer Komplott“, erklärte Alfred Sivren, „eine Erfindung von Journalisten.“ Zuvor hatte ein Sprecher der örtlichen Justiz, die sich gegenwärtig mit den Schmiergeldern des gestürzten Präsidenten Estrada befasst, bedeutsam von einer „ganz großen Korruptionsaffäre“ gesprochen und genüsslich hinzugefügt: „in Frankreich“.

Im fernen Paris löste der große Fisch, der dank der Zusammenarbeit von philippinischer und französischer Polizei ins Netz gegangen war, umgehend hektische Betriebsamkeit aus. Noch gestern machte sich ein Spezialflugzeug auf den weiten Weg nach Manila, um den offenbar linienfluguntauglichen Häftling, den die philippinische Justiz unmittelbar ausliefern will, abzuholen.

Gegen Mittag gab die Pariser Justiz erwartungsgemäß auch bekannt, dass der vor zwei Wochen begonnene erste große Elf-Prozess „unterbrochen“ werde. Bei dem Prozess gegen sieben wegen persönlicher Bereicherung in der Elf-Affäre angeklagte Personen – darunter Exaußenminister Roland Dumas und seine von Elf finanzierte Exgeliebte Christine Deviers-Joncour – war der Mitangeklagte Alfred Sirven die heimliche Hauptfigur. „Alfred hat das angebahnt“ und „das weiß nur Alfred“ verlautete in Paris in den vergangenen zwei Wochen aus unterschiedlichsten Motiven aus verschiedenen Angeklagtenmündern über den Abwesenden.

In den Jahren von 1989 bis 1993 war Alfred Sirven für die Finanzen und für die weltweiten Kontakte bei Elf zuständig. Von seinem Büro im 41. Stock des Elf-Turms im Pariser Büroviertel La Défense aus spann er ein weltweites Netz und organisierte seine Reisen mit dem konzerneigenen Jet. 1991 siedelte er nach Genf über, wo er die Leitung von Elf Aquitaine International (EAI) übernahm, die Geschäfte der ebenfalls zur Elf-Gruppe gehörenden Sofimeg und Sipar führte. Insgesamt soll er Schmiergelder in Milliarden Francs-Höhe angewiesen haben – darunter auch jene mehrere dutzend Millionen Francs schwere „Kommission“, die die Übernahme des ostdeutschen Minol-Konzerns durch Elf begleitet hat und die 1992 auf dem Umweg über Liechtenstein in den Schwarzkassen der CDU gelandet sein soll.

Bis jetzt sind das alles nur Verdachtsmomente, die seit Jahren mehrere UntersuchungsrichterInnen beschäftigen. Sie geistern auch als Gerüchte durch das „tout Paris“, zu dem Sirven bis Mitte der Neunzigerjahre gehörte. Alfred Sirven selbst hat noch nie vor einem Richter ausgesagt. Er war 1997, nachdem mit jahrelanger Verspätung ein erster internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden war, von Genf aus untergetaucht.

Die französischen Ermittler, die Sirven angeblich intensiv suchten, fanden seine Spur erst, nachdem ihn zwei Journalisten ausfindig gemacht hatten. „Es war ganz einfach“, erklärte der Reporter des Magazins Paris Match anschließend, „wir haben bloß seine Nachbarn befragt. Dann wussten wir, wo Alfred Sirven war.“ DOROTHEA HAHN