Neue Bauernregeln für das Land

Die Landwirte waren lange die natürlichen Feinde des Umweltschützers. Jetzt versucht sich Umweltminister Trittin an einer Versöhnung

von MATTHIAS URBACH

Bislang konnte die Bauernlobby noch jede Novelle verhindern. Schon Umweltminister Klaus Töpfer wollte das Naturschutzgesetz überarbeiten. Doch sein ambitionierter Entwurf scheiterte 1989. Die Landwirte hatte die Förderung nach Ausgleichszahlungen so weit getrieben, dass sie nicht mehr finanzierbar waren.

Auch die Umweltministerin Angela Merkel war nicht erfolgreicher. Immer wieder musste sie ihre angekündigte Novelle hinauschieben. Schließlich scheitert sie 1998 im Bundesrat, weil die Länder nicht für die von Agrarminister Borchert herausgeschacherten Kompensationszahlungen an Landwirte aufkommen wollten. Merkel rächte sich am Bundesrat, indem sie doch noch einen Punkt durchsetzte, der nach ihrer Lesart keine Zustimmung des Bundesrates benötigte: ausgerechnet die ungeliebten Kompensationszahlungen für Bauern.

Merkels Regelung brachte bis heute die weitere Ausweisung von Naturflächen fast zum Erliegen. In der Union überwog stets das Kalkül, es sich nicht mit den Landwirten, dieser wichtigen Wählerschaft, zu verschärfen. Angesichts klammer Kassen wollten sich es auch die Länder nicht leisten, Landwirten hohe Ausgleichsbeträge zu zahlen, deren Grundstücke unter Naturschutz gestellt werden. Bis auf Bayern, das bekanntlich seine Bauern stets hätschelte, weigerten sich die Länder, Merkels Regelung in ihre Ländergesetze zu übernehmen. Viele behielten sich vor, dagegen zu klagen, weil sie auch diese kleine Änderung für zustimmungspflichtig halten. Alle warteten auf Jürgen Trittin. Gestern endlich legte er den lang angekündigten Gesetzentwurf vor.

Trittins Voraussetzungen sind gut: SPD und Grüne haben ohnehin kaum Wähler unter den Landwirten. Auch mit den geänderten Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat wird Trittin auf seine Weise fertig: Er beschließt, nur ein Rahmengesetz zu machen, das den Ländern die Details überlässt – und deshalb nicht zustimmungspflichtig ist. Aber Trittin ist nach seinen Problemen beim Atomausstieg und bei der Altautoverordnung vorsichtig geworden. Mit der Naturschutznovelle will er demonstrieren, dass sein Ministerium auch Gesetze machen kann, die nicht überall Proteste auslösen. Selbst als der Entwurf Anfang des Jahres fertig ist, zögert das Umweltministerium noch. Man fürchtet, angesichts der Belastungen durch BSE könnten sich die Bauern noch einmal auf die Novelle einschießen. Erst als sich die BSE-Krise zuspitzt und Funke stürzt, wird klar, dass die Öffentlichkeit nur noch wenig Verständnis für die Forderungen der Bauern hat.

„Was frühere Bundesregierungen in vier Jahren nicht geschafft haben“, erklärte Trittin gestern stolz, „werden wir umsetzen: eine umfassende und konsistente Überarbeitung des Bundesnaturschutzgesetzes.“ Er wird wohl Recht behalten. In der neuen Situation ist nicht mehr mit viel Widerstand zu rechnen.

Kernpunkt der Novelle ist die „gute fachliche Praxis“. Anders, als Merkel es vorhatte, wird diese erstmals auch aus Naturschutzsicht definiert. Dies war jahrelang eine der drängendsten Forderungen der Naturschützer. Danach dürfen Bauern künftig nicht mehr Grünland auf erosionsgefährdeten Hängen und in Flussauen umpflügen, müssen die „natürliche Ertragsfähigkeit des Bodens erhalten“, die „Tierhaltung in einem regional ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau halten“, den Einsatz von Pestiziden und Dünger protokollieren und die Landschaft so bewirtschaften, dass die Nutzfläche – samt Flora und Fauna – nicht ausgelaugt wird. Wichtig ist auch, dass für Ernteausfälle, die durch die „gute fachliche Praxis“ entstehen, die Bauern kein Anrecht auf Entschädigung haben. Damit ist das große Hindernis für die Länder, weiter Flächen auszuweisen, aus dem Weg geräumt.

Doch trotz seiner guten Ausgangslage hat Trittin bei der „guten fachlichen Praxis“ bereits viele Kompromisse gemacht. Sie sind erstens sehr allgemein formuliert, wie Naturschützer und Teile der grünen Fraktion bemängeln, und zweitens deutlich abgespeckt. Das Bundesamt für Naturschutz hatte noch 13 Punkte verlangt. Im Gesetzentwurf sind es nur 6. Auch ein 7. Punkt, den Trittin noch in die Abstimmung mit dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke genommen hatte, ist herausgefallen. Eigentlich sollte ähnlich wie in der Schweiz vorgeschrieben werden, dass jeder Landwirt mindestens fünf Prozent seines Grundes als „Ausgleichsfläche“ vorhält, also Obstwiesen, Grünland oder kleine Teiche. Damit sollte verhindert werden, dass noch mehr Ackerland zur Agrarsteppe wird. Genau dagegen stemmte sich Funke zeit seines Amtes. Dessen Rücktritt, meinen Naturschützer, hätte Trittin besser nutzen können.