Mit BSE ins Bett

■ Grassierende Seuchen, harter Arbeitsalltag und schlechter sozialer Status bedeuten für Bäuerinnen vor allem Stress, sagt eine neue Studie

Die einen essen kein Rindfleisch mehr. Die anderen kriegen Bauchschmerzen vom instabilen Fleischmarkt. Solcher Psychostress ist unter Bäuerinnen weit verbreitet, sagt zumindest Johanna Venema. Sie hat ihre Diplom-Arbeit über das Thema Gesundheitsförderung von Bäuerinnen an der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität geschrieben.

taz: Die Sorgen der Bäuerinnen dürften durch die allgegenwärtige Präsenz von BSE und MKS nicht gerade abnehmen.

Venema: Richtig. Wenn ein Tier zur Schlachtung vom Hof geht, dann wird es auf BSE untersucht. Für die Bäuerin bedeutet das, drei Tage lang in der Ungewissheit zu leben: Ist der Test vielleicht positiv, wird der gesamte Bestand getötet werden müssen undsoweiter. Ich habe von vielen Frauen gehört, dass sie nächtelang nicht geschlafen haben. Bei MKS ist die Angst noch größer, da dort nicht einmal ein eigenes Tier krank sein muss. Es genügt, wenn im Umkreis ein Tier erkrankt ist, damit die eigenen Tiere gekeult werden.

Sind sie dadurch auf das Thema Stress bei Bäuerinnen gekommen?

Nein. Mir ist vorher schon zunehmend aufgefallen, dass Frauen in der Landwirtschaft einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt sind. Zum Beispiel weil sich Agrarpolitik zwar mit gesunder Ernährung, Einkommen und Finanzierung von Betriebsmitteln beschäftigt. Aber nicht mit der Gesundheit der betroffenen Menschen in der Landwirtschaft. Das muss ein Teil der Politik sein, denn schließlich haben sich die Mitgliedsstaaten der WHO in der Ottowa-Charta dazu verpflichtet.

Wodurch entstehen diese Belastungen konkret?

Viele Bäuerinnen machen sich große Sorgen um die Entwicklung ihrer Betriebe, um die Berufschancen ihrer Kinder. Sie fühlen sich der Agrarpolitik hilflos ausgeliefert. Hinzu kommt die Belastung durch die schlechte Entlohnung unserer Arbeit. Eine Bäuerin sagte einmal zu mir: Wenn man guckt, wieviel Arbeit wir für die Herstellung dieser Produkte eingesetzt haben, und wieviel andere an Arbeit einsetzen müssen, um unsere Produkte zu erwerben, dann kann man schon wütend werden.

Mit welchen Frauen haben sie gesprochen?

Mit Frauen aus Vollerwerbsmilchviehbetrieben, die besonders von Preissenkungen und verschärften Qualitätskontrollen betroffen sind.

Ist es noch so, dass Bäuerinnen einen relativ geringen sozialen Status haben?

Auf jeden Fall. Bäuerinnen gelten als etwas nicht so Schickes, nicht so Feines, als etwas eher Untergeordnetes. Besonders leiden Mädchen zwischen 12 und 17 darunter. Das geht soweit, das sie in der Schule verleugnen, vom Bauernhof zu kommen, weil sie dann als Bauerntrampel bezeichnet werden.

Und die Suche nach dem Lebenspartner ...

Das ist auf jeden Fall schwierig. Viele junge Frauen können sich nicht vorstellen, einen anderen Beruf auszuführen, als den, den sie erlernt haben und möchten auch nicht aus ihrem städtischen Umfeld heraus. Einen Bauern zu heiraten bedeutet Verzicht auf Freizeit. Dadurch nehmen die Familienbetriebe mit der Zeit deutlich ab. Das kann man in allen Statistiken verfolgen, die es heute über Strukturwandel gibt. Das hat etwas mit den Ansprüchen an Lebensqualität zu tun.

Denken Sie, dass eine psychologische Betreuung von Bäuerinnen sinnvoll wäre – gerade im Zusammenhang mit den zusätzlichen Belastungen durch BSE und MKS?

Auf jeden Fall. Ich habe als Umsetzung meiner Diplomarbeit in die Praxis ein Projekt begonnen zur Gesundheitsförderung durch bessere Stressbewältigung. Es laufen bereits zwei Kurse.

Was sind die Inhalte dieser Kurse?

Ein Problembewältigungstraining, ein Entspannungs- und ein Genusstraining. Das wichtigste ist, dass Bäuerinnen lernen, wahrzunehmen, unter welchem Druck sie stehen und welchen Belastungen sie ausgesetzt sind, wie sie auf diese Belastungen reagieren, wie sie damit umgehen können. Durch die Gruppe sollen sie lernen, flexibler mit Problemsituationen umzugehen und die eine oder andere Situation weniger bedrohlich einzuschätzen. Sie sollen lernen, sich bewusst zu machen, wie viele schöne Dinge es doch im Alltag gibt und daraus für schwierige Situationen Kraft gewinnen können. Fragen: Simon Preuß