Kammer schießt zurück

■ Will Perschau Kritiker mundtot machen?

Die Reaktion des Bremer Finanzsenators auf eine Veröffentlichung zur Praxis der Betriebsprüfungen (siehe taz vom 24./25.4.) sei der „bestürzende Versuch“, „abweichende Auffassungen mundtot zu machen“. Das hat die „Vollversammlung“ der Arbeitnehmerkammer am Donnerstag in einer Resolution beschlossen. Perschau hatte die Stellungnahme der Kammer sogar zum Anlass genommen, die Finanzgrundlage der Arbeitnehmerkammer in Frage zu stellen.

In der Sache bekräftigt die Vollversammlung die von den Wirtschaftsexperten der Kammer formulierte Position, dass nämlich eine intensivere Praxis der Betriebsprüfungen zu deutlichen Steuer-Mehreinnahmen in allen Bundesländern führen würde.

Die Kammer „jongliert mit virtuellen Zahlen“, wo sie mangelhafte Betriebsprüfung statistisch belegt, hatte Perschau behauptet. Die Zahlen der Kammer sind die des Bundesfinanzministeriums, kontert die Kammer nun. Und die sprächen eine eindeutige Sprache: Während die Arbeitnehmer-Steuererklärungen jedes Jahr genau geprüft werden, müsse beispielsweise ein Kleinbetrieb statistisch nur alle 16,4 Jahre mit einer Prüfung rechnen. Der Bundesrechnungshof hatte sich ähnlich kritisch zur Praxis der mangelhaften Betriebsprüfung geäußert wie die Bremer Arbeitnehmerkammer. Der Rechnungshof ist zuständig, weil der Staat auf Einnahmen verzichtet, die Kammer, weil die Steuerklärungen der Arbeitnehmer schärfer kontrolliert werden als die der Betriebe. Immerhin habe die Kammer den gesetzlichen Auftrag, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, bekräftigt die Kammer.

Besonders verärgert war Finanzsenator Hartmut Perschau über die Bemerkung der Kammer-Stellungnahme, das fehlende Anreiz-System im Länderfinanzausgleich trage dazu bei, dass die Länder keine besonderen eigenen Interessen an einer strengen Betriebsprüfung haben. Eine „eindeutige Schädigung bremischer Interessen durch Unkenntnis der Sachverhalte“ sei diese Stellungnahme, schimpfte Perschau. Diese Schärfe in der Formulierung ist nur nachvollziehbar, wenn man weiß, was Perschaus Vorgänger im Amt, Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU), einmal zu dem Thema gesagt hat: „Auch Finanzamtsarbeit ist Standortqualität. Wenn man zu scharf an die Sache herangeht, dann verschreckt man schon einmal den einen oder anderen Betrieb, und das wollen wir eigentlich nicht.“ Vorstöße, die Praxis der Betriebsprüfungen bundeseinheitlich zu regeln, scheiterten am Veto der Länder. K.W.