Herberge ist unökologisch

Schwerer Fauxpas beim Jugendherbergswerk: „Öko“-Jugendherberge in Thüringen wird komplett mit Strom beheizt. Der Geschäftsführer dort gibt sich naiv: „Ich verstehe nicht, wo das Problem ist“

Ein schwerer Fauxpas wühlt das Deutsche Jugendherbergswerk auf – und droht dessen Umwelt-Image zu ruinieren. Denn ein solches hatte sich der Verband in den vergangenen Jahren redlich erworben: Zahlreiche umweltpädagogische Angebote wurden in den Herbergen etabliert. Außerdem wurde in Mirow im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr eine Öko-Jugendherberge eröffnet, die ihren gesamten Wärmebedarf aus erneuerbaren Energien deckt – ein viel beachtetes Projekt.

Und jetzt das: In Plothen in Thüringen wird im Jahre 2003 eine Jugendherberge mit 200 Betten ihre Türen öffnen, die komplett mit Strom beheizt wird. Dass dieses Haus zudem noch in das Programm „Umweltstudienplatz“ eingebunden wurde, also auch noch einen speziellen Umweltbildungsauftrag erhielt, macht die Sache völlig grotesk.

Konfusion unterdessen in Detmold am Hauptsitz des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH): „Auch ich bin völlig irritiert“, gesteht Bernd Lampe ein, der Umweltbeauftragte des Verbandes, „ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte.“ Die Landesverbände seien in ihren Entscheidungen recht unabhängig, erklärt Lampe, und somit habe man in Detmold erst von der Sache erfahren, als die Entscheidung für die Stromheizung längst gefallen war.

„Wie wollen wir das unseren Gästen vermitteln?“, rätselt seither der Umweltbeauftragte. Zumal in einem Haus, das unter dem Motto „Lernen durch Vorbild – Umwelterziehung durch Glaubwürdigkeit“ den Gästen mit eigens geschultem Personal ökologische Werte vermitteln will? Um die Umwelterziehung in den etwa 20 „Umweltstudienplatz-Jugendherbergen“ wirklich glaubhaft zu machen, hatte das Herbergswerk für diese in weiser Voraussicht eine Reihe von bauspezifischen Kriterien entwickelt. „Nur daran, dass heute noch irgendjemand auf die Idee kommen könnte, eine Stromheizung zu installieren, haben wir natürlich nicht gedacht“, sagt Lampe. So war dieses Kriterium in dem Katalog schlichtweg nicht vorhanden.

Vor Ort, beim verantwortlichen DJH-Landesverband Thüringen, gibt man sich nach Bekanntwerden des Skandals betont naiv. „Ich verstehe nicht, wo das Problem ist“, sagt Geschäftsführer Klaus-Dieter Eberhardt, „eine Stromheizung ist doch eine sehr saubere Sache.“ Die Jugendherberge liege in einem Naturschutzgebiet, in einem bedeutenden Vogelbrutgebiet gar, und da sei eine Stromheizung doch geradezu ideal. Selbst eine Holzhackschnitzelanlage sei am Standort der Jugendherberge Plothen nicht genehmigungsfähig, behauptet er kühn. Allein eine Flüssiggasheizung sei möglich, aber zu teuer gewesen. Und da sei ein günstiges Angebot des örtlichen Stromversorgers gerade recht gekommen.

Um den fatalen Schritt noch rückgängig zu machen, ist es zu spät; das Bettenhaus in Plothen ist bereits fertig, der Sozialtrakt derzeit in Bau. Jetzt ist Krisenmanagement angesagt – vom Hauptsitz in Detmold aus versucht man derzeit, den Schaden zu begrenzen, und drängt im zweiten Bauabschnitt noch auf die ergänzende Nutzung erneuerbarer Energien. Doch damit wird sich der Fauxpas nur noch zum Teil ausbügeln lassen. Umweltexperte Lampe ist frustriert: „Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen.“ Und mancher Beobachter frotzelt bereits, die Herberge Plothen könne in der Umweltbildung auch mit ihrer Stromheizung eine wichtige Rolle spielen: als unschlagbares Negativbeispiel. BERNWARD JANZING