sein! nicht nicht sein!
: „Du bist doch gar kein Rechter“: Christoph Schlingensief probt „Hamlet“

Nazi-Casting

Auf dem Berliner Theatertreffen zeigt Christoph Schlingensief seine „Hamlet“-Inszenierung, in der auch ausstiegswillige Rechtsradikale mitspielen sollen. Hamlet-Darsteller Sebastian Rudolph schreibt über die Proben in Zürich.

Die Nazis sind da. Endlich. Nach langer, fast schon aufgegebener Suche haben wir doch noch Nazis gefunden, die in der „Hamlet“-Inszenierung mitspielen wollen und sich auch noch öffentlich als resozialisierte Nazis zu erkennen geben. Nun hat also Naziline.com – diese Organisation, von der jetzt bekannt geworden ist, dass sie wohl doch nicht ein offizielles Organ des Bundesministers des Innern ist, wie das in der Schweiz geglaubt wurde –, nun hat also Naziline.com einen Teil seiner Zielsetzung erreicht: aussteigewillige Neonazis über ein Kulturprojekt in die Gesellschaft einzugliedern.

Also: Nazi-Casting! Große Freude. Da sitzen sie, die Hochkaräter, die kleinen Fische und machen uns klar: Es gibt sie gar nicht, die Nazis. Nationale sind sie. Verwirrte. Verfolgte. Aber keine Nazis. – Das wollen wir doch aber gar nicht. Ihr müsst schon richtig schlimm sein. Sonst lohnt sich das doch gar nicht. Finden die übrigens auch.

Was ist denn dann dieses „nur rechts“, dem ihr euch zuordnet? fragt Stefanie Carp, die Dramaturgin. Kollektive Konfusion bricht aus. Die silberne Bomberjacke, die du anhast, jedenfalls nicht. Die Musik. Der Protest. Ja, am Anfang steht das Auffallen-Wollen. Die gute Organisation. Jedenfalls werden wir verfolgt als Rechte.

Du bist doch gar kein Rechter, so wie du rumläufst, gerade mal ein Rockabilly. Das sagt unser Spitzenmann, der mehr den Eindruck eines x-beliebigen Kadermannes macht, links, rechts, sonst wo. Der denkt in Taktik und Outfit. Und kennt sich aus. Und hört sich so nett und harmlos an. Und macht mir Angst. Was kann der machen mit uns auf der Bühne? Wer behält da das Heft in der Hand? Das ist Hamlet, denke ich. Jeder redet und keiner weiß, wer der andere ist. Und misstrauen tun sich alle.

Ich weiß auch nicht mehr, was ich denke. Muss ich aber auch nicht. Ich bin ja Hamlet. Was aber klar ist: RAUS will von denen keiner, Herr Schily. Die wollen rein. Ins Nest, eine Heimat haben, oder nach oben, gerade zu den Herren Schily und Fischer, und endlich auch mal der Gute sein. Aber wer will die denn haben (die Nazis, meine ich), denke ich. Na ja, der Schlingensief vielleicht. Der hat sie aus dem Dunkel geholt und führt sie jetzt ans Licht, wie sich das die Berliner Morgenpost gewünscht hat. Und das beruhigt mich. Ich schlafe ein. SEBASTIAN RUDOLPH