Ende der Monopole

Ob beim Wasser, beim öffentlichen Nahverkehr, bei der Bundesbahn oder der Müllentsorgung: Überall setzt sich das Prinzip der Konkurrenz durch – und das ist gut so

Die Bahn hat aufwendigste ICE-Strecken geplant, die die Investition nie wieder einspielen können

Früher durfte nur der Staat Schnaps und Streichhölzer vertreiben – doch irgendwann waren diese Monopole nicht mehr zu halten. Heute wirkt die Vorstellung, dass ausgerechnet Behördenvertreter die besten Tropfen herstellen, völlig abwegig. Auch fürchtet niemand, dass unter Wettbewerbsbedingungen produzierte Streichhölzer explodieren könnten. Sollten sie es wider Erwarten doch tun, so vertrauen die Menschen auf eine staatliche Aufsicht, die gefährliche Produkte aus dem Verkehr zieht. Und mangelhafte Qualität ahndet Stiftung Warentest.

Gegenwärtig stehen erneut mehrere Monopole zur Disposition. Verkehrsexperten fordern, das Schienennetz aus der Deutschen Bahn AG herauszulösen. Zwar muss der Konzern seit 1994 Konkurrenten auf die Gleise lassen, doch tatsächlich hat er das weitgehend verhindert. Auch die Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs fürchten, demnächst im realen Wettbewerb zu stehen: Im vergangenen Sommer hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die quasiautomatische Auftragsvergabe an die kommunalen Busgesellschaften zu unterbinden. Die öffentlichen Wasserversorger sehen sich dagegen vor allem durch Wirtschaftsminister Müller bedroht. Der lässt gerade eine Änderung des Kartellrechts prüfen, was ebenfalls EU-weite Ausschreibungen zur Konsequenz haben könnte. Und sogar die erst vor ein paar Jahren gegründete private Verpackungsmüllfirma DSD nimmt für sich in Anspruch, allein für die Entsorgung des grün bepunkteten Abfalls zuständig zu sein – ein Zustand, der ebenfalls aus Brüssel gerade unterbunden werden soll.

Begleitet wird der Protest der betroffenen Unternehmen von einem gemischten Chor von Unterstützern. Die Gewerkschaften kämpfen fast überall für einen Erhalt der Monopole: Ohne Wettbewerb gibt es wenig Druck auf die Löhne. Beim Thema Wasser und ÖPNV sind es vor allem Kommunalpolitiker, die um ihren Einfluss fürchten. Viele Ökoaktivisten sind ebenfalls skeptisch. Sie rechnen beim Wasser nicht nur mit dem Ende der Unternehmenspolitik, die zum sparsamen Verbrauch motiviert. Auch Qualitätseinbußen und eine abnehmende Vorsorge fürs Grundwasser seien zu erwarten. Beim ÖPNV prognostizieren sie, dass umweltschonende Gasbusse nicht mehr eingesetzt werden, wenn es nur noch um das billigste Angebot geht. DB-Chef Mehdorn – einst glühender Verfechter des freien Wettbewerbs – verteidigt inzwischen das Schienenmonopol und erhielt dafür sogar Unterstützung von ganz oben: Kanzler Schröder pfiff ohne inhaltliche Argumente seinen neuen Verkehrsminister Bodewig zurück, als der ein nahes Ende des DB-Gleiskartells ankündigte.

Wie sinnvoll sind diese Monopole? Und ist jeder, der dagegenhält, ein radikaler Neoliberaler? Kritiker der Kartelle führen an, dass behördenartige Strukturen für Endverbraucher und Steuerzahler extrem teuer sind. Nirgendwo sonst in Europa kostet Wasser so viel wie in Deutschland. Trotz milliardenschwerer Investitionen in den ÖPNV stagnieren die Nutzerzahlen – oder sinken gar wie in Berlin; auf kundenfreundliche Angebote lässt das nicht schließen. Und während ein betriebswirtschaftlich kalkulierendes Bahnunternehmen seine Schienen dort ausgebaut hätte, wo der größte Umsatz zu erwarten ist, hat die DB aufwendigste ICE-Strecken geplant, die die Investition nie wieder einspielen können.

Was kann solche Strukturen dennoch rechtfertigen? Zwei Argumente werden meist angeführt. Zum einen wird unterstellt, dass ein Monopolist wirtschaftlich attraktive und unattraktive Kundengruppen gleichermaßen bedienen kann, während es bei Konkurrenz zu „Rosinenpickerei“ käme. Zum zweiten wird vielfach angenommen, dass Wettbewerb notwendigerweise mit Ökodumping verbunden ist.

Doch sind dies politische Entscheidungen, die sich durch Vorgaben regeln lassen. Bei internationalen Ausschreibungen muss keineswegs nur der Preis zählen. Konzessionen können beispielsweise daran gebunden werden, dass sowohl die Ballungsräume wie die abgelegenen Gegenden bedient werden. Auch die Qualität des Angebots wie der Einsatz von abgasarmen Fahrzeugen oder eine bestimmte Taktfrequenz kann der Auftraggeber bestimmen. Der Vorteil eines Wettbewerbs aber wäre, dass die Konkurrenten die cleverste und preiswerteste Lösung suchen würden – was im innovationsfeindlichen Behördenklima gegenwärtig nicht nötig ist.

Beim Wasser argumentieren viele Monopolfreunde, dass eine Mischung verschiedener Ursprungswässer zu hygienischen Problemen führe. Tatsächlich will aber niemand ernsthaft mehrere Konkurrenten gleichzeitig dasselbe Rohrsystem nutzen lassen. Vielmehr geht es um die zeitlich befristete Vergabe eines regionalen Markts. Das ist im Übrigen längst Usus; in vielen Gegenden fließt privatisiertes oder teilprivatisiertes Wasser aus den Hähnen. Doch bisher haben die Kommunalvertreter ihre Wahl nicht nach einer internationalen Ausschreibung getroffen, sondern nach Gutdünken. Das hat vielerorts zu unwirtschaftlichen Lösungen geführt, wie in Potsdam, wo Eurawasser 49 Prozent der Wasserwerke übernommen hatte. Drei Jahre danach war dort plötzlich von exorbitanten Abwasserpreisen die Rede, so dass die Stadt sich von der Firma trennte – was sie teuer zu stehen kommt.

Die kommunalen Wasserbetriebe argumentieren außerdem, dass sie sich um den Trinkwasserschutz verdient gemacht haben. Dies trifft zu: Häufig bekommen Bauern Ausgleichszahlungen, wenn sie in bestimmten Gegenden auf Pestizide verzichten. Zunächst ist aber zu fragen, warum nicht das Verursacherprinzip angewandt wird. Und selbst wenn man meint, dass eine umweltfreundlichere Landwirtschaft nicht ohne Subventionen durchsetzbar ist, so müsste dafür der Steuerzahler und nicht der Wassernutzer aufkommen. Dass dies einen großen Unterschied ausmacht, wird deutlich, wenn man die Kosten für eine achtköpfige Familie mit geringem Einkommen durchrechnet.

Die Gewerkschaften kämpfen fast überall für Monopole: Dann gibt es wenig Druck auf die Löhne

Bleibt das Lohnargument. Die Beschäftigten fürchten zu Recht, dass ihr vergleichsweise gutes Salär bei Konkurrenz nicht haltbar wäre. Die Kosten sind dann nämlich nicht mehr auf die Kunden oder die öffentliche Hand abzuwälzen. Doch warum sollten diese Arbeitnehmer im Vorteil sein gegenüber Leuten, die in anderen Branchen schuften? Außerdem zeigt sich im öffentlichen Dienst angesichts leerer Kassen bereits heute eine Zweiklassenbezahlung: Wer schon lange dabei ist, hat ein gutes Auskommen, während neue Leute wesentlich weniger verdienen.

Immer wieder wird warnend Großbritannien angeführt, das in der Tat abschreckend ist: vielfach steigende Verbraucherpreise, sinkende Sicherheit und satte Profite für die Privaten. Dass es aber bei intelligenter Konstruktion auch anders geht, zeigt der liberalisierte öffentliche Verkehr in Schweden und Dänemark: Er hat deutlich höhere Zuwachsraten als in Deutschland und ist zugleich wesentlich preisgünstiger. ANNETTE JENSEN