sahra wagenknecht:

„Anbiederung an die SPD“

taz: Herzlichen Glückwunsch.

Sahra Wagenknecht: Wozu?

Die PDS-Reformer stellen den Entwurf für ein neues Parteiprogramm vor und reden von Marx und mehr Sozialismus. Sie müssten zufrieden sein.

Das bin ich nicht. Es ist doch nicht wichtig, dass man Sozialismus sagt. Es kommt darauf an, was man damit meint. Das Unternehmertum und Gewinnstreben von Unternehmen als Bedingung wirtschaftlicher Effizienz zu bezeichnen, entspricht nicht meiner Vorstellung von Sozialismus. Das Konzept des libertären Sozialismus, das die Parteiführung verficht, steht rechts von einem demokratischen Sozialismus, den ich vertrete.

Was passt Ihnen an dem Programmentwurf nicht?

Er bedeutet eine radikale Umbewertung unserer Haltung zum Kapitalismus. Die Eigentumsfrage wird anders als bisher beantwortet. Es werden verschiedene Eigentumsformen befürwortet und diese auch unter dem Aspekt ihrer Effizienz betrachtet. Und im Programmentwurf wird eine völlige Neubewertung der DDR-Vergangenheit vorgenommen. Die DDR wird pauschal als kommunistische Einparteiendiktatur bezeichnet, die per se undemokratisch und antiemanzipatorisch gewesen sein soll. Ich habe eine andere DDR erlebt.

In Ihrer vor zwei Wochen vorgestellten Wahlstrategie erklärt die PDS, nach mehr Macht und Einfluss auch auf Bundesebene zu streben. Vor ein paar Tagen hat sich die Parteiführung für die Zwangsvereinigung von KPD und SPD entschuldigt. Harte Zeiten für eine Kommunistin wie Sie.

Ich empfinde diese Art von Politik als reine Anbiederung an die SPD. Die Entschuldigung für die Vereinigung von KPD und SPD ist eine Demutsgeste, keine historische Analyse.

Warum treten Sie nicht einfach aus der Partei aus?

Warum sollte ich? Ich will verhindern, dass der Programmentwurf angenommen wird. Ich glaube nicht, dass er von einer Mehrheit der Partei gewollt ist. INTERVIEW: JENS KÖNIG

Die 1969 in der Hauptstadt der DDR geborene Sahra Wagenknecht ist Wortführerin der Kommunistischen Plattform in der PDS.FOTO: KARSTEN THIELKER