Reality bites

Hertha BSC drückt, die Borrusia ist erfolgreich: Die Berliner verlieren im Westfalenstadion gegen Dortmund 3:1

„Heute ist die Realität auf dem Platz“, sagte Borussen-Präsident Gerd Niebaum vor dem Spiel und kam damit sehr nah heran an die Binsenweisheit, wonach sich auch die Wahrheit irgendwo zwischen Grashalm und Schwarzerde verbirgt. Nun wussten schon die guten alten Anarchos, dass die Realität in Wirklichkeit ganz anders ist. Doch nicht im dynamischen Dortmund Kehl'scher Geisteshaltung, jenem Dortmund, in dem die Hertha immer besonders schmerzhaft aufgeschlagen ist auf den harten Boden der Realität.

Seit dem Aufstieg 1997 setzte es im Westfalenstadion deutliche Niederlagen. In chronologischer Reihenfolge: 0:3, 0:3, 0:2, 0:4. „Es kann also nur besser werden“, versprach Trainer Jürgen Röber. Begründung: Hertha sei nach der Winterpause viel besser in Form als vor Saisonbeginn, als man im Ligapokal sinnlos Kräfte ließ und wichtige Trainingseinheiten versäumte. Außerdem: Das 4-3-3-System sei mittlerweile so gefestigt, dass seine Mannschaft auch auswärts selbstbewusst aufspielen kann. Nicht zu vergessen die Serie von neun Spielen ohne Niederlage.

Dieser Lauf ist in Dortmund zu Ende gegangen. Das Ergebnis: 3:1 für Dortmund. Schon nach sieben Minuten geriet Hertha BSC in Rückstand. Weil die linke Abwehrseite (Michael Hartmann) erodierte, kam Stefan Reuter frei zur Flanke. Der Ball flog vom Kopf des 2,02 Meter großen Tschechen Jan Koller ins Tor des BSC-Torstehers Christian Fiedler, der Gabor Kiraly auf die Ersatzbank verdrängt hat. Er hielt in der 36. Minute einen Foulelfmeter von Ewerthon. Der Brasilianer stürmte zuvor allein aufs Tor, schob den Ball an Fiedler zu weit vorbei und ließ sich geistesgegenwärtig fallen. Diagnose: Schwalbe. Fiedler sah die gelbe Karte von Schiedsrichter Aust.

„Die Mannschaft ist fit, es fehlt nur ein bisschen die Durchschlagskraft nach vorne“, sagte Manager Dieter Hoeneß in der Halbzeit. „Wir verlieren zu früh die Bälle.“ Derart instruiert versuchten die Berliner nach der Pause mehr zu tun im Offensivspiel. Andreas Neuendorf kam für den Belgier Bart Goor. Doch anstelle des Ausgleichs fiel in der 53. Minute das zweite Borussen-Tor. Nach einer Ecke von Tomas Rosicky traf erneut Koller per Kopf. Es war sein fünftes Saisontor. Nun stürmte Borussia. Hertha blieb zur Entlastung kaum mehr als solides Passspiel im Mittelfeld. In Minute 71 allerdings ein genialer Hackentrick von Marcelinho, der Neuendorf in Schussposition brachte. Mit links schoss er aus 18 Metern ins Kreuzeck: 2:1. Das Spiel - hernach ein Vexierbild: Erst drückt Hertha, erfolgreich ist hingegen BVB. Christian Wörns köpft in der 76. Minute ein zum 3:1.

Dortmund ist nun punktgleich mit Tabellenführer Leverkusen, Hertha rutscht ab auf Platz sieben, zehn Punkte hinter der Spitze. Dortmunds Reality beißt. „Wissen Sie, was ich glaube? Jeder hat seine Bestimmung“, verriet Röber jüngst dem Tagesspiegel. Herthas Bestimmung ist es offenbar, in Dortmund drei Punkte abzugeben. MV