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: Fritz Strobl folgt dem Earl of Kandahar

Freund neumodischer Sportarten

Der österreichische Skifahrer Fritz Strobl gewann am Samstag den Super-G auf der Kandahar-Strecke, Landsmann Stefan Eberharter tat es ihm gestern nach. Die Rennen fanden allerdings mitnichten in Afghanistans umkämpften Bergen statt, sondern in Garmisch-Partenkirchen. Der geografisch abwegig scheinende Name der Strecke geht auf einen gewissen Frederick Sleigh Roberts zurück. Er war Soldat von echtem Schrot und Korn. Der Stolz der britischen Armee. Besiegte mit seinen Truppen nach einem Gewaltmarsch von Kabul nach Kandahar die afghanischen Aufständischen. Für diesen militärischen Triumph von 1880 bekam er später das Oberkommando der britischen Armee, Lobeshymnen des Schriftstellers Rudyard Kipling und einen Ehrentitel, der sich bald selbstständig machte: „Earl of Kandahar“. Zuerst eroberte Roberts Kandahar, dann sein Adelsprädikat die Alpen.

Der Graf von Kandahar war ein großer Freund aller neumodischen Sportarten, vor allem des aus Norwegen in die Schweiz importierten Skifahrens. Als im Winter 1911 die englische Oberschicht in Crans-Montana zum ersten Mal um die Wette ins Tal raste, spendete der General den „Roberts of Kandahar Challenge Cup“.

Roberts selbst dürfte zwar nie in den Schweizer Alpen gewesen sein, aber seine Bewunderer sorgten nach dem Ersten Weltkrieg für die schnelle Verbreitung des Namens. 1924 gründete Arnold Lunn in Mürren den noch heute bestehenden „Kandahar Skiclub“, 1928 entstand in St. Anton in österreichisch-schweizerischer Kooperation der erste „Arlberg-Kandahar-Schiwettbewerb“.

Weitere Kandahar-Rennen entstanden in Chamonix, Sestrières und Garmisch-Partenkirchen. Ein Norweger gab seiner ersten Skibindung mit Drahtseilzug den Namen Kandahar, der Schweizer Fritz von Allmen seinem neu entwickelten Skischuh. Neben den Pisten wurden Kandahar-Hotels, -Pensionen, -Gondelbahnen, -Bars errichtet. Kandahar-Skizentren gibt es auch in Kanada und den USA. In Mexiko muss der Name für ein Surf-Zentrum an der Pazifik-Küste herhalten.

Vom Medienrummel um Mullah Omar und seine Stadt fühlen sich die Hotel- und Liftbesitzer zwischen Aspen und Arlberg nicht betroffen. Allerdings gibt es die Idee einer Spendenaktion alpiner Kandahar-Stätten für die afghanische Stadt. Schuhfabrikant Dieter von Allmen wurde zuletzt für den Namen seiner Schuhe öfter bemitleidet. Ändern will er ihn nicht, in die Stadt Kandahar würde er schon einmal fahren, „um unsere Wurzeln zu finden“. Roberts Graf von Kandahar hat den Boom seines Namens nicht mehr erlebt. Er starb 1914 bei einem Frontbesuch.

BERNHARD ODEHNAL

Der Autor ist Redakteur der schweizerischen Weltwoche