ENRON-PLEITE: DAS KARTELL DES SCHWEIGENS HÄLT NICHT IMMER
: Vebas erfolgreiche Feuersucher

Wie konnte das passieren? Auf die Frage, wie der jetzt Pleite gegangene US-Energiekonzern Enron über Jahre hinweg Schulden in Milliardenhöhe verbergen und zu hohe Gewinne verbuchen konnte, wird es schlüssige Aussagen geben, wenn ein Teil der Computerdateien rekonstruiert ist, die ein leitender Wirtschaftsprüfer gelöscht hat. Dass ein solch monströser Wirtschaftsbetrug möglich war, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass die vielen Manager, die davon wussten, allesamt geschwiegen haben. Garantiert wurde dieses Schweigen durch die Tatsache, dass die Firma, die die Bücher von Enron zu prüfen hatte, zugleich als Berater des Konzerns unter Vertrag stand. Bei einer solchen Interessenkollision gibt die Vorstandsetage, wo alle Berichte über die Großkunden zusammenlaufen, fast immer der Beratung den Vorzug vor der Prüfung. Die Logik lautet: Wer gut berät, kann auch gute Ergebnisse prüfen. Sind im Zahlenwerk aber schlechte Ergebnisse versteckt, wird man vom Prüfer nicht wirklich erwarten können, diese Arbeit seiner Kollegen enttarnen zu wollen.

Dabei ist der Blick auf die formellen Strukturen das eine – aber jenseits davon gibt es auch noch die informellen Informationsströme. Wirtschaftsprüfer sind nämlich bei weitem nicht die verschwiegene Kaste, für die sie sich selbst gern ausgeben – Schweigen sozusagen als eigentliche Grundlage ihres Berufes. Wirtschaftsprüfer plaudern nämlich durchaus gerne, oder sie schweigen vielsagend – wer im Beratungsgeschäft für die ganz großen Konzerne dieser Welt tätig ist, auf den richtigen Partys trinkt und in den richtigen Hotels absteigt, kann auf Anhieb – gespeist nur durch aufmerksames Zuhören beim Smalltalk mit den Kolleginnen und Kollegen – einige Firmen nennen, deren Finanzprobleme sich nach innen viel dramatischer darstellen als gegenüber den Aktionären.

Beweisen lassen sich solche Impressionen natürlich zunächst nicht. Aber wer Qualm sieht, kann nach Feuer suchen – und da waren ein paar Feuermelder erfolgreich, nämlich die Spezialisten von PriceWaterhouseCoopers, der Erzkonkurrenz von Enrons Prüffirma Arthur Andersen. So kann es nicht wirklich verwundern, dass der deutsche Energiekonzern Veba, an intensiveren geschäftlichen Verbindungen mit Enron interessiert, vom dubiosen Geschäftsgebaren der Firma erfuhr und von Fusionsgedanken Abstand nahm. Es wäre auch nicht weiter erstaunlich, wenn in den kommenden Wochen noch aus weiteren Unternehmen zu hören wäre, dass sie 1999 zum Ergebnis gekommen wären, etwas mehr Distanz zu Enron sei die etwas bessere Lösung. MARTIN CHRISTIANS