Reif für die Aktie

DAI: Die Aktienakzeptanz in Deutschland lag auch im vergangenen Jahr weiter auf hohem Niveau. 1,2 Millionen Neu-Aktionäre stiegen noch im ersten Halbjahr 2000 zum historischen Höchststand ein

„Die Zahl der direkten und indirekten Aktionäre hat in Deutschland im Jahr 2001 trotz der enttäuschenden Kursentwicklung nur geringfügig abgenommen.“ Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in einer aktuellen Kurzstudie. Im Jahresdurchschnitt 2001 besaßen 12,9 Millionen Einwohner Aktien oder Anteile an Aktienfonds. Dies entspreche 20 Prozent der über 14-Jährigen, was gegenüber dem Jahr 2000 einem Anstieg um 1,5 Prozentpunkte entspreche. Die Zahlen basieren auf einer Infratest-Umfrage im Auftrag des DAI.

Demzufolge sank die Zahl der direkten Aktionäre im Jahr 2001 gegenüber 2000 zwar von 6,2 auf 5,7 Millionen. Dieser Rückgang sei jedoch mehr als kompensiert worden durch den Zuwachs an Aktienfondsbesitzern von 8,4 auf 9,8 Millionen.

Trotz der jüngsten Entwicklungen habe sich die Zahl der direkten Aktionäre innerhalb von nur sechs Jahren – von 1997 bis zum 2001 – um 1,77 Millionen erhöht (45,3 Prozent). Die Summe von direkten Aktionären und Besitzern von Fondsanteilen stieg im gleichen Zeitraum von 5,6 Millionen um 129,5 Prozent auf 12,9 Millionen.

Der langfristige Anstieg der Aktionärszahlen sei auf „die zunehmende Zahl der Anleger zurückzuführen, die neben Aktien auch Aktienfondsanteile“ gezeichnet hätten. So stieg deren Zahl von 627.000 im Jahr 1997 auf rund 2,75 Millionen im Jahr 2000, sackte allerdings der Studie zufolge im zweiten Quartal des vergangenen Jahres auf 2,5 Millionen. Immerhin: eine Steigerung von 1997 bis 2001 um knapp 319 Prozent. Die Zahl jener Gruppe, die ausschließlich Anteile an Aktienfonds, jedoch keine Einzelaktie besaßen, stieg noch stärker und wuchs von 1,7 Millionen im Jahr 1997 auf 7,5 Millionen im ersten Halbjahr 2001; im zweiten Halbjahr sank sie wiederum auf 6,8 Millionen.

Zwischen dem ersten Halbjahr 2000 und dem zweiten Halbjahr 2001 trennten sich offenbar mehr als 800.000 direkte Aktionäre von ihren Papieren (minus 13 Prozent). Dieser Rückgang sei „angesichts der zum Teil dramatischen Kursverluste am Neuen Markt seit März 2000, aber auch in Anbetracht der erheblichen Kursverluste vor allem kurz vor und in Folge des 11. Septembers 2001 nachvollziehbar“, heißt es beim Aktieninstitut. Die Akzeptanz habe in den letzten Jahren gleichwohl eine „beachtliche Entwicklung genommen“, die nicht zuletzt „durch die über mehrere Jahre hinweg fast ununterbrochen steigenden Kurse gefördert“ worden sei. Man verkennt beim DAI jedoch nicht, dass sich „die überzogenen Renditevorstellungen mancher Anleger“ in den vergangenen beiden Jahren „leider schmerzhaft korrigiert“ hätten.

Interessant der Ost-West-Vergleich: Der Untersuchung zufolge sei die Summe der Aktionäre und Fondseigner in den alten Bundesländern im Verlauf des vergangenen Jahres auf 10,2 Millionen gesunken (minus 11,7 Prozent). Durchschnittlich waren in diesem Segment des Investments 21 Prozent der Bevölkerung aktiv. In den neuen Bundesländern investierten zwar nur 13,4 Prozent in Aktien und entsprechende Fonds. Gleichwohl weise die Entwicklung „trotz der Kursrückgänge“ im Jahr 2001 eine „leicht steigende Tendenz auf“. So zählte man im Jahresdurchschnitt 2001 rund 2,02 Millionen Anleger, im Jahr zuvor hingegen waren es erst 1,7 Millionen. Vor allem die Zahl der Fondsbesitzer nahm um 363.000 spürbar zu, die Zahl der Aktienanleger sank hingegen um 99.000.

Der Anstieg der Aktionärszahlen in den neuen Bundesländern sei also laut Studie „ausschließlich auf eine höhere Akzeptanz der Aktienfonds“ zurückzuführen – was „angesichts der durchschnittlich niedrigeren Einkommen und Geldvermögen eine sehr rationale Entwicklung“ sei.

Aus diesen Zahlen lässt sich jedoch auch ablesen, dass zahlreiche Anleger offenbar zur falschen Zeit eingestiegen sind. Während im Jahr 1998 knapp 600.000 und im Jahr 1999 rund 40.000 Anleger erstmals Aktien zeichneten, schöpften die bis dahin Zurückhaltenden durch die Kursentwicklungen offenbar Mut: Allein im ersten Halbjahr 2000 legten über 1,2 Millionen Deutsche erstmals ihr Geld in Aktien an - was zeitgleich mit den historischen Höchstständen der Kurse am Neuen Markt und DAX zusammenfällt, mithin die schlechteste Zeit überhaupt für ein Aktien-Engagement gewesen ist. Diese Neuinvestoren dürften, so das DAI, „mehrheitlich Verluste erlitten“ haben.

In welchen Segmenten und in welcher Höhe die Anleger investierten, lässt sich aus den Zahlen nicht ablesen. Nach Angaben von DAI-Mitarbeiter Franz-Josef Leven sei weder nach Anlagebeträgen noch direkt nach Einzelwerten gefragt worden.

„Die in den letzten Jahren steigende Zahl von Aktionären und Fondsbesitzern dokumentiert die zunehmende Aktienreife der Deutschen“, kommentierte Rüdiger von Rosen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Aktieninstituts, die Ergebnisse. Zu einer lebendigen „Aktienkultur“ gehöre aber auch, dass vorübergehende Kursrückgänge ebenso wenig wie temporäre Kursexplosionen als fortdauernd angesehen, sondern als Schwankungen um eine langfristig realistische Durchschnittsrendite von rund zehn Prozent pro Jahr erkannt und verstanden würden.

Vor allem jene Aktionäre, die zum Höchststand der Kurse erstmals Aktien erworben hätten und „nun vor zum Teil erheblichen Buchverlusten“ stünden – sofern sie nicht nervös wurden und verkauften – würden gegenüber der Aktie „große Reserviertheit“ zeigen. Man kann’s ihnen nicht verdenken. ANDREAS LOHSE

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