Schutz vor Gentests als Chance für Ulla Schmidt

Rufe nach Gentestgesetz werden lauter. Doch die SPD-MinisterInnen sind sich noch nicht einig. Möglicherweise Teilregelung für den Medizin-Bereich

BERLIN taz ■ Im Prinzip sind eigentlich alle einer Meinung. Gentests dürfen nicht gegen den Willen der Betroffenen durchgeführt werden. Und wo diese freiwillig ihre genetischen Anlagen checken lassen, darf das keine Nachteile im Arbeitsleben oder beim Abschluss von Versicherungen haben. Doch trotz vieler Ankündigungen gibt es noch immer kein entsprechendes Gesetz.

„Bei Querschnittsmaterien kommt es leicht zur Querschnittslähmung“, kalauerte Rechtsprofessor Spiros Simitis am Wochenende in Berlin auf einer Tagung der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung. Zwar liegt im Hause von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bereits ein Teilgesetzentwurf in der Schublade, für das Arbeitsrecht ist jedoch Walter Riester zuständig und für den Versicherungsbereich Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Vor allem Letztere sieht derzeit „keinen Handlungsbedarf“, nachdem die Versicherungswirtschaft Ende 2001 ein freiwilliges Gentest-Moratorium bis 2006 verkündete.

Diese Selbstverpflichtung fiel allerdings nicht schwer. Denn bisher spielten Genchecks in Deutschland bei Lebens- und privaten Krankenversicherungen noch keine Rolle. Zu wenige Krankheiten können bisher auf diesem Weg vorhergesagt werden, zu ungenau sind die Prognosen angesichts der Bedeutung von Lebensstil sowie Arbeits- und Umweltbedingungen. Dennoch wollen die Assekuranzen ein gesetzliches Verbot im Hinblick auf die unklare medizinische Entwicklung unbedingt verhindern. Immerhin gibt es eine ständig wachsende Zahl von Tests, die auch immer billiger werden. „Ein Gesetz später wieder zu ändern ist viel zu schwerfällig“, argumentierte Peter Präve vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Mit der Ablehnung eines Gesetzes stand er bei der Böll-Tagung allein. Zu stark kann das Ergebnis eines Gentests das Leben eines Menschen verändern, nicht nur durch die Gefahr der Diskriminierung. Auch die Selbstwahrnehmung verändert sich radikal, wenn jemand erfährt, dass in einigen Jahren eine seltene Erbkrankheit ausbrechen kann. Problematisch sind Gentests aber vor allem, wenn sie lediglich der Diagnose von Krankheiten dienen, für die noch keinerlei Therapiemöglichkeit besteht. „Wenn nach einem negativen Gentest die einzige Empfehlung ist, sich gesund zu ernähren, dann ist medizinisch fast nichts gewonnen“, betonte Exgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und forderte ebenfalls ein Gesetz.

„Falls die Ministerien keinen Gesetzentwurf vorlegen, müssen eben die Fraktionen im Bundestag aktiv werden“, erklärte Jochen Goerdeler vom neu gegründeten und mit veranstaltenden Institut für Recht und Politik. Tatsächlich haben auch die Grünen einen Gesetzentwurf auf Halde liegen, müssen aber noch auf grünes Licht aus der SPD warten, die wiederum auf eine Einigung der Ministerien wartet. Für Bewegung könnte jetzt ein Antrag der CDU/CSU sorgen, der am Freitag im Bundestag beraten wurde. Auch dort heißt es: „Es muss jedem Menschen freigestellt bleiben, ob und welchen Tests er sich unterzieht.“

Selbst im Kanzleramt will man nun, so war zu hören, nicht länger bremsen. Noch vor der Bundestagswahl könnte es deshalb zumindest ein medizinspezifisches Genanalysegesetz geben. Denn so könnte sich die glücklose Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) doch noch etwas profilieren. CHRISTIAN RATH