Dekontamination für 14 Millionen Dollar

Drei Monate nach Milzbrandbrief ist Senatsgebäude in Washington wieder offen. Spur nach Tätern führt in US-Labor

WASHINGTON taz ■ Zurück zur Normalität. Das war die aktive Botschaft, als vergangene Woche nach drei Monaten Quarantäne eines der beiden großen Senatsgebäude auf dem Capitol Hill seine Türen wieder öffnete. Die passive: Wie lange es dauert, diese Normalität wieder herzustellen, die nur durch einen einzigen Brief mit tödlichen Bakterien durcheinander gebracht wurde.

Senatsführer Tom Daschle ging am ersten Tag fast überschwänglich durch die Flure des neunstöckigen Gebäudes und begrüßte viele Mitarbeiter persönlich. Die Erleichterung, dass niemand ernsthaft erkrankt war, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Am 15. Oktober hatte ein Angestellter von Daschle einen Brief geöffnet, der zwei Gramm gefährliche Milzbrandsporen enthielt. Tausende Mitarbeiter wurden mit Antibiotika behandelt, das Haus geschlossen.

Das Senatsgebäude wurde zum Symbol für die Verwundbarkeit des öffentlichen Lebens in der Hauptstadt und zugleich Experimentierfeld für die Beseitigung von Bioterrorschäden. Bislang gab es kaum praktische Erfahrungen, wie durch einen Milzbrandanschlag verseuchte Häuser wieder bewohnbar gemacht werden können. 200 Arbeiter in Schutzanzügen mussten jeden Raum dekontaminieren. Dabei wurde erstmals ein spezielles Chlorgas zur Desinfektion eingesetzt. Nach über 4.000 Proben gaben die Gesundheitsbehörden grünes Licht zum Wiedereinzug. Kosten der erfolgreichen Reinigung: 14 Millionen Dollar.

Erfolglos ist bislang jedoch die Suche nach dem Täter. Die anfängliche These, die Anschläge seien von ausländischen Terroristen verübt worden, ist vom Tisch. Die Ermittler konzentrieren sich auf die Heimatfront, den Bundesstaat New Jersey. Vier der Milzbrandbriefe gingen hier durch ein Postverteilerzentrum.

In der Hoffnung auf neue Hinweise und einen Durchbruch bei den Ermittlungen haben Bundespolizei FBI und US-Post unterdessen eine groß angelegte Flugblattaktion in New Jersey gestartet. Zudem wurde eine Belohnung von 2,5 Millionen Dollar ausgesetzt. Das FBI hat angekündigt, 960 neue Mitarbeiter einzustellen, von denen ein großer Teil im Kampf gegen den Bioterror eingesetzt werden soll.

Die Frustration über eine fehlende heiße Spur wurde vor wenigen Tagen jedoch ein wenig gelindert. Forscher glauben den genetischen Code der Erreger entschlüsselt zu haben. Sie hoffen, dass der Vergleich mit anderen bekannten Erregerstämmen aus US-Laboren zu Hinweisen führt. Die bei den Anschlägen benutzten Sporen gehören alle zum so genannten Ames-Stamm. Dieser wurde von militärischen Forschungeinrichtungen des US-Biowaffenprogramms seit den frühen 80er-Jahren verwendet. Die neuen Erkenntnisse bestärken die Ermittler darin, dass es sich bei dem Täter um eine Person mit wissenschaftlichen und labortechnischen Erfahrungen handelt, der keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen hat.

Ins Visier der Fahnder geriet sogar das führende Institut zur militärischen Biowaffenforschung in Fort Detrick nördlich von Washington. Dort wurden die ersten Untersuchungen am Ames-Stamm durchgeführt und Bakterienkulturen auch an andere US-Labore verschickt.

Nun wurde bekannt, dass ausgerechnet in diesem Labor aus bisher unbekannten Gründen mehrere Bakterienstämme verloren gingen. MICHAEL STRECK