Unterm lila Schmetterling

Fast ganz ohne die achtziger Jahre: Michael Steffen stellt heute im Schanzen-Buchladen sein Buch über den Kommunistischen Bund vor, das jüngst als „Geschichten vom Trüffelschwein“ im Verlag Assoziation A erschienen ist

Unter den Tisch fallen viele der Aktivitäten, die nicht von der Leitung ausgingen

von GASTON KIRSCHE

„Portugal darf nicht das Chile Europas werden!“, „Gegen die schrittweise Faschisierung von Staat und Gesellschaft!“, „Nur mit der proletarischen Frau wird der Sozialismus siegen“, „Schafft zwei, drei, viele Brokdorf!“. Wem bei diesen Losungen aus den bewegten siebziger Jahren in Hamburg Demos und Kontroversen um die Walpurgisnacht einfallen oder internationalistische Veranstaltungen, die ganze Messehallen füllten, wer an Kämpfe am Bauzaun in Brokdorf denkt, für all diejenigen ist jetzt das Buch zur eigenen politischen Biographie erschienen: Geschichten vom Trüffelschwein – Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971 bis 1991. Der Autor Michael Steffen hat in mehrjähriger Fleißarbeit die erste Doktorarbeit über eine der bundesdeutschen K-Gruppen verfasst, die nun gekürzt bei Assoziation A erschienen ist.

Michael Steffen war selbst nie Mitglied im Kommunistischen Bund, hat aber in Marburg bei Georg Fülberth Politik studiert. Der ist, ebenso wie der Zweitprüfer Frank Deppe, Mitglied der DKP. In seiner Studie stellt Steffen heraus, dass sich der vor allem in Norddeutschland aktive Kommunistische Bund (KB) von den dogmatischen K-Gruppen sowohl in seiner Art, nach außen Politik zu machen, als auch intern in vielen Punkten unterschied. So stellt Steffen ausführlich dar, wie der KB sich am Wahlbündnis Bunte Liste – Wehrt Euch beteiligt hat, dass bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen 1978 aus dem Stand auf 3,5 % kam und in Eimsbüttel den Sprung in die Bezirksversammlung schaffte – während die Grüne Liste Umweltschutz nur 1 % der Stimmen erhielt.

Der Wahlkampf der Bunten Liste, deren Zeichen ein lila Schmetterling war, wurde von einer Vielzahl von Bürgerinitiativen, Frauen- , Betriebs- und Jugendgruppen getragen. Mit Straßentheater, Happenings und Stadtteilfesten waren die neuen sozialen Bewegungen präsent wie selten in der Stadt. Mitglieder des KB waren in der Bunten Liste aktiv, wie Steffen beschreibt: „Die Dominanz des Bundes im Rahmen der Bunten Liste basierte ja nicht auf straff geführten Nebenorganisationen (wie das dem Bündniskonzept anderer K-Gruppen entsprochen hätte), sondern war Ausdruck einer gewissen Offenheit einem weiteren linken Spektrum gegenüber, war eben nicht bloß politisch oder organisatorisch vermittelt, sondern auch über die kulturelle Hegemonie des KB im linksradikalen Milieu der Hansestadt, wie sie in der zweiten Hälfte der siebzigerJahre bestand.“

In den Geschichten vom Trüffelschwein thematisiert Steffen zwar laut Titel die ganze Zeitspanne des Bestehens des KB von 1971 bis 1991, aber der Zeitraum von 1980 bis 1991 kommt nur am Rande vor – auf 40 von 416 Seiten. Der Großteil des Buches handelt von den siebziger Jahren, vom Aufbruch in die Betriebspolitik von 1971 bis 1975. Vom Engagement des KB in den neuen sozialen Bewegungen in der zweiten Hälfte der Siebziger wird auch ausführlich berichtet. Das hat oft aufzählenden Charakter, einiges steht unvermittelt nebeneinander, so wird etwa die eigenständige Schwulenpolitik im KB im Abschnitt Frauenpolitik behandelt, wo auch die Kinderpolitik auftaucht.

Verschiedene Organisationsbereiche werden so erwähnt, ohne dass analytische Fragestellungen deutlich werden, etwa: Inwieweit gab es auch im KB Spuren des deutschen Vereinswesens, war der KB patriarchalisch geprägt? Steffen betreibt hier eher Nacherzählung als Aufarbeitung. Er beschränkt sich weitgehend darauf, die Geschichte des KB aus der Sicht von früheren Mitgliedern der Leitung zu erzählen und die Veröffentlichungen auszuwerten. Eine Beschreibung des KB-Milieus fällt ebenso unter den Tisch wie viele Aktivitäten des KB, die nicht von der Leitung ausgingen. Wer viel mit dem KB zu tun hatte, wird sich trotzdem an vieles Erinnern, wenn er das Trüffelschwein liest. Eine gelungene Strandlektüre, um zurückzuschauen.

Der Autor war von 1976 bis 1991 Mitglied im Sozialistischen SchülerInnen Bund (SSB) dann im KB.Lesung: morgen, 20 Uhr, Buchhandlung im Schanzenviertel, Schulterblatt 55 (anschließend Diskussion mit dem Buchautoren und Hans-Hermann Teichler, einem Gründungsmitglied des KB)Michael Steffen: Geschichten vom Trüffelschwein, Verlag Assoziation A 2002, 416 S., 24 Euro