Feld-Wald-Wiesen-Politik

Naturschutzbund Nabu kritisiert Programm „Wachsende Stadt“: Planlos opfere die Rechts-Koalition die letzten Freiflächen. Umweltschützer fordern qualitatives Wachstum. Konversionsflächen innerhalb der Stadt gibt es reichlich

von GERNOT KNÖDLER

Der Umweltverband Nabu ist am Wochenende scharf mit dem Senatskonzept „Wachsende Stadt“ ins Gericht gegangen. Bei seiner Jahreshauptversammlung äußerte der alte und neue Erste Vorsitzende Rolf Bonkwald die Befürchtung, „dass die letzten grünen und freien Flächen ohne Planungsvorbereitung einer Vision des Senats geopfert werden“. Hamburg brauche eine „Qualitätssteigerung par excellence“ statt einer Ausdehnung der bebauten Fläche. Horst Bertram vom Botanischen Verein kritisierte das Vorgehen des Senats als „unverantwortlich“. Offenbar betrachte der Senat Landschaftsschutzgebiete „als Bauerwartungsland und die Landwirte und Kleingärtner als bei Bedarf zu eliminierende Platzhalter“.

Mit ihrer Kritik rekurrieren die Vertreter der Umweltverbände auf ein Problem, das von der institutionalisierten Politik längst anerkannt ist: den Flächenfraß (siehe Kasten). „Ohne Änderung des Trends würden die Planungsreserven rechnerisch bis 2023 ausreichen“, heißt es im Kursbuch Umwelt der damaligen Umweltbehörde. Damit künftigen Generationen ein Spielraum bleibt, müssten bestehende Standortqualitäten entwickelt werden, um sowohl den Auswanderungsdruck an den Stadtrand als auch ins Umland zu minimieren. „Zusätzliche Flächenansprüche sollten durch Innenentwicklung und nicht durch Flächenausdehnung befriedigt werden“, empfahl die Behörde.

Möglichkeiten dazu gibt es reichlich: Auf Anfrage der GAL nannte der Senat 53 so genannte Konversionsflächen. Viele Verschiebebahnhöfe, Krankenhäuser oder Kasernen werden nicht mehr gebraucht und könnten in Wohn- und Gewerbegebiete umgewandelt werden. Oft liegen sie mitten in der Stadt, so dass nicht einmal neue, flächenfressende Verkehrswege nötig wären.

Doch die großen Eigentümer, allen voran die Deutsche Bahn, sind sich bisweilen unschlüssig, was aus ihren Liegenschaften werden soll. „Das Problem sind die Verhandlungen mit den jetzigen Eigentümern“, sagt Antje Möller, Expertin für Stadtentwicklung der GAL-Bürgerschaftsfraktion. Diese stehen unter dem Druck, viel Geld erlösen zu müssen, dem die Stadt bei ihren knappen Kassen schwerlich nachgeben kann und der dem Bau von wenig renditeträchtigen Wohnnungen entgegensteht. In seinem Sonderprogramm für neue Wohn- und Gewerbegebiete vom April vergangenen Jahres griff der Senat daher nach Kleingärten und Feldmarken.

Bonkwald hält das für falsch und unnötig: „Ich bezweifle, dass das vorliegende Senatskonzept der richtige Ansatz ist, Hamburg für alle Bevölkerungsgruppen attraktiv zu machen“, erklärte der Nabu-Chef. Unter dem Titel Wachsende Stadt würden alte Planungen wieder hervorgezaubert, die bisher nicht realisierbar gewesen seien. Das Senatskonzept enthalte keine Zielrichtung und keine Planung. „Alles, was opportun ist, wird jetzt unter diesem Begriff verkauft.“

Richtungslos ist die Senatspolitik jedoch nicht. Sie setzt da-rauf, die Häusle-Bauer als gute Steuerzahler und sozial wenig bedürftige Bevölkerungsgruppe in der Stadt zu halten. Statt der unter sozialdemokratischer Ägide einmal geplanten Wohnblocks für Tausende Einwohner planen CDU, FDP und Schill-Partei zwar jetzt überwiegend Einfamilienhäuser für wesentlich weniger Menschen. Am Flächenverbrauch ändert das jedoch wenig.

Der Nabu kritisiert das Konzept Wachsende Stadt daher grundsätzlich: „Die avisierten 300.000 zusätzlichen Einwohner erzeugen einen Bedarf von zirka 150.000 Wohnungen und 125.000 zusätzlichen Autos.“ Das habe unweigerlich negative Folgen für das Überleben von Tieren und Pflanzen. Wenn der Senat sein Konzept in der vorliegenden Form realisiere, werde Hamburg seinen Ruf, eine grüne Stadt zu sein, ruinieren. Statt Landschaftsachsen, Biotope und Erholungsflächen zu vernichten, solle der Senat die Möglichkeiten des Flächenrecyclings und der Nachverdichtung nutzen.