Schlickschlacht an der Ems

Der Bund hält Flüssigmatsch für Schlick, lässt ihn ausbaggern und befördert ihn in den Dollart – Geldverschwendung, sagt ein niedersächsischer Schlickexperte, es reiche, nur Sand auszubaggern. Behauptete Ersparnis: elf Millionen Euro

taz ■ Die Ausbaggerung der Ems ist teilweise überflüssig, technisch falsch gemanagt und reine Geldverschwendung – zu diesem Ergebnis kommt Rewert Wurbs, Schlickexperte im Niedersächsischen Hafenamt Ems-Dollrat in Emden. Wurbs’ Ziel der Kritik, das Wasser- und Schifffahrtsamt des Bundes in Emden (WSA), ist zuständig für die Ems und hat andere Kriterien als das Niedersächsische Hafenamt, was als Schlick gebaggert wird. Eine verbindliche Definition, was Schlick ist, gibt es nicht – sie ist in Arbeit. Klar ist: Die Bundesbaggerer definieren bereits zähflüssige Brühe über dem Grund als Schlick, ganz anders die Niedersachsen: „Was der Bund in der Ems baggert, lassen wir teilweise im Hafen. Eine Gefährdung für die Schiffe ist das nicht“, erklärt Schlickexperte Wurbs.

Martin Schüle ist im WSA Emden zuständig für die Emsbaggerungen und erklärt: „Uns sind die unterschiedlichen Bewertungen von Schlick bekannt. Wir halten uns aber strikt an unsere Vorgaben. Die Solltiefen, die wir in der Ems vorhalten müssen, werden ständig durch unsere Peilschiffe kontrolliert. Bei Mindertiefen baggern wir.“ Über die Kosten sparende Interpretation seines Kollegen Wurbs sagt Schüle nichts, nur so viel: „Dass wir falsch baggern, hat uns noch keiner gesagt.“

2002 hat allein die Ausbaggerung der Unterems 22 Millionen Euro gekostet. „Wir haben in zehn Jahren die Kosten für die Ausbaggerungen des Emder Hafens von 14 Millionen Mark auf gut zwei Millionen Euro gesenkt“, so Wurbs. Und er ist sicher: „Ich würde die Kosten für die Ausbaggerung der Ems sofort halbieren.“

Keine Differenzen gibt es darüber, dass Sand aus der Ems herausgeholt werden muss. Am Schlick aber scheiden sich die Geister. „Wir sehen in Schlick die Ablagerung abgestorbener, organischer Schwebstoffe. Diese Schicht braucht etwa acht bis zehn Jahre, um sich an strömungsfreien Stellen abzusetzen. Darüber liegende Schichten, die die Peilschiffe des Bundes als Schlick bewerten, bezeichnen wir vom Land als ‚fluid mud‘“, so Wurbs.

Dieses ‚fluid mud‘ fließt als zähe Brühe abgestorbener Kleinstlebewesen, ist aber von Schiffen durchfahrbar. Im Emder Hafen wabert eine vier Meter dicke ‚fluid mud‘-Wolke und ist kein Hindernis für Schiffe. Der in der Welt bislang einzigartige Trick, der Emder Trick, ist, diese Brühe in Bewegung zu halten, sie mit Sauerstoff anzureichen und so am Ablagern zu hindern.

In der Ems aber baggert der Bund diese Masse mit aus. „Das ist Unsinn, und nutzlos“, meint Experte Wurbs. Sinnvoll sei es, nur Feststoffe der Ems zu entnehmen. Der Sandanteil des Baggergutes betrage derzeit in der Ems nur etwa 20 Prozent – der ganze große Rest könnte nach Wurbs’ Dafürhalten also bleiben, wo er ist: am Grund der Ems. Weniger Baggergut bedeutet aber weniger Baggerkosten. Denn derzeit wird das beauftragte Baggerunternehmen Müsing nach gebaggerten Kubikmetern bezahlt.

Wurde bislang das Baggergut an Land deponiert, verklappt das WSA jetzt in der Emsmündung. „Das ist ein Schildbürgerstreich“, meint Rewert Wurbs. „Wird vor Papenburg ‚fluid mud‘ gebaggert und in der Emsmündung verklappt, dann ist die Brühe mit der Flut schneller wieder in Papenburg als das Baggerschiff zurückfahren kann.“

Für die Meyer-Werft wird die Ems auf 7,20 Meter vertieft, damit sie ihre für den Fluss zu großen Schiffe an die Küste bugsieren kann. Obwohl der Fluss jetzt für die Überführungen zusätzlich durch das Emssperrwerk gestaut wird, muss weiter gebaggert werden. Unbestritten steigen mit den Baggerungen auch die Schwebstoffanteile im Wasser. Die Folgen: eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, mehr Tidenhub und eine dramatische Verschlechterung des Sauerstoffgehaltes. Naturschützer sprechen deswegen von einem schleichenden Tod der Ems.

Thomas Schumacher