Fluch der Erlösung

ProSiebenSat.1 geht an den US-Milliardär Saban, und die Kirch-Belegschaft erst einmal atmet auf – ohne zu wissen, wie es künftig weitergehen soll

aus München KLAUS RAAB

Pest oder Cholera. Das seien die Alternativen gewesen, sagt eine Mitarbeiterin von KirchMedia, aber das sei okay: Die meisten Angestellten bei Kirch sind froh, dass ihr Unternehmen zumindest mal aus dem Koma erwacht ist. Ob die noch ausstehende Therapie anschlägt? Mal sehen. KirchMedia wurde gestern an den US-amerikanischen Medienunternehmers Haim Saban verkauft. Die Unterschrift im zweiten Teil des Vertrags – über Kirchs umfangreiche Filmrechtebibliothek – soll innerhalb der nächsten zehn Tage folgen.

Heilung möglich?

Fast ein Jahr lang krankte Kirch an der Insolvenz, wohl die schlimmste Krankheit, die für ein Unternehmen vorstellbar ist Es bestehen realistische Chancen auf Heilung. Die Alternative zu Saban wäre der Hamburger Bauer-Verlag gewesen, der wohl vor allem an Kirchs Senderfamilie ProSiebenSat.1 interessiert war, im Bieterverfahren um Kirch aber vergangene Woche vergrätzt absprang – Saban hatte satte 100 Millionen Euro mehr zu bieten.

Die Mehrheit der Mitarbeiter ist nun hoffnungsfroh; zumindest bedingt. War direkt vor dem Rückzug Bauers intern noch von einer „Lähmung im Haus“ die Rede gewesen, wird jede Entscheidung, ohne ihre Konsequenzen genau zu kennen, nun als Schritt nach vorne begriffen. „Es ist einfach schwierig, aber wir müssen verkauft werden, damit endlich was weitergeht“, lässt sich ein Mitarbeiter zitieren – ohne Namen. Keiner will sich jetzt, da Besserung in Sicht ist, in eine Situation reden, die ihm schaden könnte. Der taz wurde der Zutritt zum Kirch-Gebäude verweigert.

„Bauer hätte uns irgendwann an die Wand gefahren“, heißt es aus Kreisen der Mitarbeiter, „der hätte nur das Geld rausgezogen.“ Nun, unter Saban, werden von Teilen der Belegschaft selbst Wiedereinstellungen nicht ausgeschlossen.

Das Betriebsratskonzept, das Anfang des Jahres vorgelegt worden war, um Kündigungen weitestgehend zu verhindern, habe Hans-Joachim Ziems, der vorläufige Geschäftsführer, „gnadenlos vom Tisch gefegt“, wie ein Insider sich erregt. Geschichten wie diese machten die Runde im Haus. Optimismus schürten sie nicht. Nach den bereits ausgesprochenen Kündigungen beschäftigt Kirch noch 230 Mitarbeiter. Unter Bauer wäre die Zahl auf 118 geschrumpft.

Adam Chesnoff, Strategiechef Haim Sabans, hatte versichert, die Angestelltenzahlen würden unter Sabans Führung nicht in dem selben Maß zusammenschrumpfen. Aber: „Saban ist nicht der weiße Ritter und Erlöser, das ist auch ein Geschäftsmann“, heißt es.

Sandra Goldschmidt von Connexx-av, der gewerkschaftlichen Interessenvertretung von Medienschaffenden, die Kirchs Arbeitnehmer unterstützt, hat ähnliche Bedenken: „Ob das vielleicht Geklapper im Vorfeld war, das könnte ich mir auch gut vorstellen.“ Richard Boehnke, der einzige freigestellte Betriebsrat, hält ihn aber für „wesentlich aufgeschlossener und großzügigerät“ und von Vorteil schon deshalb, weil er direkt aus der Branche komme. Und auch Goldschmidt meint, „wenn Saban wirklich dazu steht und den Rechtehandel im großen Stil im Sinn hat, ist das mit 195 Leuten nicht zu machen.“

Weg mit Mitarbeitern!

Eine Reduktion auf 195 Mitarbeiter hatte der Unternehmensberater Roland Berger vorgeschlagen. Saban wird nun wohl prüfen, welche Rechtehandelsfunktionen wichtig sind, um den Arbeitsbetrieb sinnvoll angehen zu können. Die Offerte des 58-jährigen Saban sei „sowohl im materiellen Bereich als auch in der zeitlichen Umsetzung attraktiver“ als das Bauer-Angebot, teilte KirchMedia mit schon im Vorfeld. Auch Filmstudios und die meisten Banken plädieren für ihn.

Einen Vorteil sieht man in weiten Belegschaftskreisen darin, dass Saban in der Rechtebranche heimisch ist. Andere freilich betrachten ihn als unberechenbarer, als es der Bauer-Verlag gewesen wäre, etwa weil Saban aus Amerika kommt und damit vielleicht ein anderes Verhältnis zu den Beschäftigten habe; sein Umgang mit den Mitarbeitern sei schwer einzuschätzen.

Saban übernimmt nun also 36 Prozent am Kapital von ProSiebenSat.1. Da es sich um Stammaktien handelt, erhält der US-Milliardär fast drei Viertel der Stimmrechte an dem Sender. In verhandlungsnahen Kreisen hatte es zuletzt aber geheißen, Saban zahle für das Anteilspaket rund 500 Millionen Euro – ein genauer Kaufpreis wurde bis dato noch nicht genannt.