Sieg für Zentrum

Oppositionspartei wird bei Parlamentswahlen in Finnland stärkste Kraft. Auch die Sozialdemokraten legen zu

STOCKHOLM taz ■ Eine Siegerin und einen Gewinner, insgesamt aber nur geringe Verschiebungen im Stärkeverhältnis der Parteien brachten die Parlamentswahlen in Finnland am vergangenen Sonntag. Die vorwiegend ländlich verankerte Zentrumspartei legte mit 2,3 Prozent am meisten zu und wurde mit 24,7 Prozent stärkste Partei vor den Sozialdemokraten. Diese konnten sich ebenfalls um 1,6 Prozent steigern und kamen auf 24,5 Prozent. Eine weitere Partei im Plus waren die Grünen, die sich mit 0,6 Prozent auf 8 Prozent verbesserten und mit 14 der 200 Reichstagsabgeordneten hinter der Linkspartei nun die fünftstärkste Fraktion im Parlament stellen.

Großer Verlierer war die konservative Sammlungs-Partei, die um 2,5 Prozent auf 18,5 Prozent zurückfiel. Die ausländerfeindlichen „Wahren Finnen“ erreichten zwar nur 1,6 Prozent, werden aber aufgrund des Direktwahlsystems mit drei Abgeordneten im Reichstag sitzen.

Nach einem kaum von wesentlichen Unterschieden in Sachfragen geprägten Wahlkampf wurde die siegreiche Zentrumspolitikerin Anneli Jäätteenmäki gestern von Staatspräsidentin Tarja Halonen mit der Regierungsbildung beauftragt. Die bisherige alleinige Oppositionspartei Zentrum müsste hierzu versuchen, zumindest eine der großen Parteien – Sozialdemokraten oder Konservative – für eine neue Koalition aus deren bisheriger eingearbeiteten Konstellation herauszubrechen. Die Konservativen lehnten in einer ersten Reaktion eine Zusammenarbeit mit dem Zentrum ab. Der sozialdemokratische Premier Paavo Lipponen ließ die Frage offen, dürfte aber in erster Linie an einer Fortsetzung der bestehenden Koalition, die ihm das Ministerpräsidentenamt sichert, interessiert sein.

Traditionell werden in Finnland gerne Regierungskonstellationen gebildet, die nicht nur zahlenmäßig, sondern auch ideologisch extrem breit sind. So drängten sich seit 1995 auf die deutsche politische Landschaft übertragen in Helsinki SPD, CDU, PDS, Grüne und FDP im gleichen Regierungsboot. Die Grünen waren 2002 nach der Entscheidung über den möglichen Bau eines fünften Atomreaktors ausgeschieden, haben aber Interesse an neuer Regierungsmitarbeit bekundet. Auch der exkommunistische Linksverband und die liberale Schwedische Volkspartei würden eine Regenbogenkoalition fortsetzen.

Die bisherige breite Regierungsbasis führte Finnland aus einer tiefen Wirtschaftskrise und machte es zu einer Art ökonomischen Musterknaben der EU. Wobei man allerdings nach wie vor mit einer bei knapp 10 Prozent liegenden Arbeitslosenrate zu kämpfen hat. Diese Frage gilt neben einer Modernisierung des Gesundheitssystems als wichtigste Aufgabe der neuen Regierung. REINHARD WOLFF

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