Das EP stärken

Fünf Fragen zur künftigen Sicherheitspolitik der EU

taz: Herr Becker, die USA ziehen in den Krieg, und die EU sieht hilflos zu. Wie müssten die neue Verfassung aussehen, damit eine solche Situation künftig nicht mehr entstehen kann?

Peter Becker: Unsere Organisation – Juristen gegen Atomwaffen – erwartet vom Konvent, dass er eine weltweite Auseinandersetzung darüber anstößt, wie man mit internationalen Konflikten rechtmäßig umgeht. Wichtigster Ansatz ist, Institutionen für zivile Konfliktschlichtung aufzubauen. Das Kosovo ist ein gutes Beispiel. Da hat die EU der Kriegslogik nichts entgegensetzen können, weil es solche friedensfördernden Strukturen noch nicht gibt. Wir erwarten vom Konvent, dass er die USA in eine Auseinandersetzung über die Frage zwingt, welches der bessere Weg ist.

Was genau also müsste in den neuen Verträgen stehen?

In den allgemeinen Zielen – im ersten Teil der neuen Verfassung – sollte sich die Union zum Frieden und zur zivilen Konfliktschlichtung bekennen und ein Verbot von Massenvernichtungswaffen aussprechen. Im zweiten Teil, der die Arbeitsweise der Institutionen erläutert, sollte ein Verfahren der zivilen Konfliktschlichtung beschrieben sein, das Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen, Entsendung von Polizeikräften und Ähnliches beinhaltet.

Gibt es dafür ein Beispiel in einer anderen Verfassung?

Seit über 50 Jahren existiert ein Vorbild, das ausgefeilte Instrumentarium im 5. und 6. Kapitel der UN-Charta. Da wird die zivile Konfliktschlichtung als erste Stufe genannt, dann Ausübung von Druck, Embargo usw. Erst wenn alles scheitert, kann Gewalt als letztes Mittel eingesetzt werden. Einen solchen Einsatz müsste allerdings das Europäische Parlament [EP] billigen.

Selbst bei größtem Optimismus wird der Konvent dem Europaparlament nicht diese Kompetenzen geben können. Wer also soll das außenpolitische Handeln der EU kontrollieren?

Ob ein Krieg zulässig ist, ist eine Rechtsfrage. Das vergessen die Leute oft. Wir haben die UNO-Charta, in der steht, unter welchen Bedingungen ein Einsatz legal ist. Krieg oder Frieden ist eine Grundsatzfrage für eine Rechtspersönlichkeit – und das soll die EU ja werden. Deshalb muss das Europäische Parlament – wie in Deutschland der Bundestag – vor dem Einsatz gefragt werden. Es muss auch möglich sein, dass ein einzelner Abgeordneter hinterher gerichtlich nachprüfen lässt, ob der Einsatz rechtmäßig war – vor dem EuGH oder, noch besser, vor einem neu zu schaffenden Europäischen Verfassungsgericht.

Zurück zum Verbot von Massenvernichtungswaffen. Frankreich wird niemals seine Atom-Arsenale auflösen.

Ialana hat 1993 aufgedeckt, dass die französischen Tests auf den Moruroa-Atollen gravierend gegen internationales Recht verstoßen. Das Europäische Parlament hat daraufhin Stellung bezogen, und die Franzosen haben letztlich beschlossen, keine Tests mehr zu machen. Im Moment ist es sicher schwierig, diese heilige Kuh zu schlachten, aber mittelfristig werden Frankreich und Großbritannien dem Druck nachgeben müssen, der durch die juristischen Gutachten entstanden ist.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER