UN geht, Krieg kommt

US-Präsident George Bush erklärt die Diplomatie für beendet: Kriegsbefürworter verzichten wegen drohenden Vetos auf neuen UN-Resolutionsentwurf. Waffeninspektoren verlassen auf US-Aufforderung den Irak, Botschaften evakuiert

BERLIN taz ■ Die USA und ihre Verbündeten wollen offenbar schon in den kommenden Tagen den Krieg gegen den Irak beginnen. Sämtliche diplomatischen Bemühungen für einen Konsens im UN-Sicherheitsrat wurden gestern eingestellt. „Das Fenster der Diplomatie ist geschlossen“, erklärte das Weiße Haus in Washington. Noch in der vergangenen Nacht wollte sich US-Präsident Bush mit einer Rede an die Nation wenden. US-Außenminister Colin Powell sagte, Bush werde dem irakischen Diktator Saddam Hussein darin ein Ultimatum zum Verlassen seines Landes stellen. Die Rede ist von einer 72-stündigen Frist. „Es gibt nichts, was Saddam noch tun könnte, um seine Haut zu retten“, sagte Powell.

Ein neuer UN-Resolutionsentwurf wird von den Kriegsbefürwortern nicht mehr eingebracht. Zuvor hatten Frankreich, Russland und Deutschland die ultimative Forderung der USA, Großbritanniens und Spaniens nach einem gemeinsamen Handeln auf Basis von deren Vorschlägen abgelehnt. Damit hätte die neue Resolution keine Chance gehabt. Der amerikanische UN-Botschafter John Negroponte begründete den Rückzug mit der Veto-Drohung „eines gewissen Sicherheitsratsmitglieds“ – gemeint war offenbar Frankreich. Dagegen erklärte der französische UN-Botschafter, die USA hätten eingesehen, „dass die Mehrheit des Sicherheitsrats gegen den Irakkrieg ist“. Der russische Präsident Wladimir Putin warnte vor einem Krieg als „Fehler mit weit reichenden Folgen“. In London beriet das Kabinett in einer Krisensitzung. Der ehemalige britische Außenminister und jetztige Labour-Fraktionschef Robin Cook trat aus Protest aus der Regierung aus.

Die Kriegsbefürworter berufen sich jetzt auf die alte UN-Resolution 1441, die dem Irak „ernsthafte Konsequenzen“ für den Fall androht, dass das Land seine Massenvernichtungswaffen nicht vollständig abrüstet. Ob diese Resolution zur Legitimierung eines Krieges ausreicht, ist unter Völkerrechtlern äußerst umstritten. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte dazu, die Legitimität dieses Vorgehens werde angezweifelt. Seine Affassung sei bekannt. „Krieg ist eine Katstrophe“, sagte Annan.

Schon in der Nacht zum Montag forderte Washington alle UN-Waffeninspektoren dringend zur Ausreise auf. Kofi Annan und sein Chefinspektor Hans Blix verständigten sich gestern darauf, das Personal am heutigen Dienstag abzuziehen. Die UN-Mitarbeiter waren seit November letzten Jahres mit der Kontrolle der irakischen Abrüstung betraut. Auch das gesamte UN-Personal für humanitäre Hilfe werde abgezogen, sagte Annan.

Schon gestern verließen die letzten UN-Beobachter an der irakisch-kuwaitischen Grenze ihre Standorte. Sie befinden sich derzeit in Kuwait-Stadt. Zugleich ordneten die USA den Abzug aller entbehrlichen Diplomaten aus Syrien, Kuwait und Israel an. Die deutsche Botschaft in Bagdad wurde ebenso wie die chinesische geschlossen, das Personal nach Jordanien abgezogen. KLH