Sozialamt kneift

Förderbedarf: Amt für Soziale Dienste ignoriert Gesundheitsamts-Empfehlung auch in städtischen Kitas. Heute Bürgerschaftsdebatte

Bremen taz ■ „Wir sorgen dafür, dass jedes Kind seine Hilfe bekommt“, sagt Christiane Kluge, beim Amt für Soziale Dienste für 72 staatliche Kindergärten zuständig. Die Zusicherung ist nötig, denn seit dem Beginn des Kindergartenjahres, und das sind bisher schon zwei Monate, gibt es in Bremen rund 30 Kinder, die die vom Gesundheitsamt attestierte Hilfe verweigert bekommen – ausgerechnet vom Amt für Soziale Dienste (AfSD). In der Folge gibt es in Bremen einzelne förderbedürftige Kinder, die zwar einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben und auch angemeldet wurden – von der Einrichtung aber abgewiesen wurden. Grund: Ohne die besonderen Förderkräfte seien die Kinder nicht verantwortlich zu betreuen.

Das Problem ist hausgemacht. In Bremen sind die Zahlen der Kinder, denen ein Förderbedarf attestiert wird, Jahr für Jahr gestiegen. In einer Haushaltslage, in der alle Kostenbereiche „gedeckelt“ werden, darf das nicht sein. Der Verdacht: Das Verfahren der Förder-Anerkennung bringe den Bedarf mit hervor. Also wurde das Verfahren geändert: Wenn ein Kind deutliche Entwicklungsstörungen hat, dem normalen Entwicklungsprozess mehr als ein halbes Jahr hinterher hinkt oder völlig in sich gekehrt auf äußere Reize nur „gestört“ reagiert, dann wird es zur Begutachtung zum Gesundheitsamt geschickt. Dann aber gilt nicht die Diagnose des Gesundheitsamtes, sondern die Bewertung der Abteilung „Wirtschaftliche Hilfen“ beim AfSD. Die schlichte Folge: Alle, die nicht körperlich oder geistig behindert sind, gelten als nicht förderbedürftig.

So haben im Frühjahr manche Kita-Einrichtungen wie alle Jahre zuvor Zivildienstleistende gesucht für besonders gestörte Kinder, die nur über zusätzliche Kräfte in die Kita-Gruppe „integriert“ werden können – und dann Ende Juli erstaunt erfahren, dass die Sachbearbeiter im Amt die Gutachten des Gesundheitsamtes anders interpretieren. Auch beim Gesundheitsamt war man erstaunt, dass Leute ohne speziellen Sachverstand nach Aktenlage die eigens angeforderten sachverständigen Gutachten anders bewerten können. Zwei betroffene Eltern sind vor das Verwaltungsgericht gezogen und haben Recht bekommen. Das ist drei Wochen her und passiert war bis gestern nichts – die angeworbenen Zivis haben längst andere Stellen.

Viele der Eltern vertrauen auf ihre Widersprüche gegen die ablehnende Entscheidung des Amtes. Seit zwei Monaten werden die Fälle alle neu überprüft, versichert Christiane Kluge. Das neue Verfahren sei sicherlich „in der Praxis nicht glücklich“, aber es müssten verschiedene Bereiche im AfSD zusammen wirken, und das mache die Entscheidungen „geradezu kompliziert“. Heute wird die Stadtbürgerschaft über die Lage debattieren. kawe