Autoritär-nölig zugerichtet

betr.: „Deutsche Durchhalteparolen“ von Wiglaf Droste, taz vom 26. 9. 03

Droste kleidet einen wichtigen Aspekt dessen in Worte, was sich immer deutlicher zumindest in der Medienlandschaft in diesem Land abzeichnet: das Sich-Zusammenschweißen einer neuen Volksgemeinschaft, besorgt am augenfälligsten durch volkspädagogisch auftretende TV-NachrichtenmoderatorInnen. Es regiert ein ebenso nebulöses wie für Faschismen anfälliges „Wir“: „wir“ in Deutschland, „unsere“ Soldaten in Kabul etc. Antagonismen in der Gesellschaft kommen nicht mehr vor. Wer sie dennoch unverbesserlich weiterhin postuliert, und sei es bloß auf folkloristische Weise wie die Gewerkschaften, riskiert die Forderung nach seiner Auflösung oder Umwandlung in einen ADAC.

Auf der anderen Seite der Medaille wird die disziplinarische Zerstörung des Individuums zelebriert: Auf allen TV-Kanälen werden Zugriffe durch Polizisten auf „Täter“ als Sieg eines Ordnungsregimes über abweichlerisches Tun gefeiert, während in dutzenden Casting-Shows jugendliche HobbysängerInnen mit autoritär-nöligem, bisweilen sogar persönlich vernichtendem (siehe Bohlens Kommentare bei DSDS) Tonfall zu Marionetten einer immer kurzzyklischer werdenden Kulturindustrie zugerichtet werden. Was bleibt, ist die Adorno’sche Hoffnung, dass die Menschen besser sind als ihre Kultur, also auch besser als ihre Medien. Und: Solange Leute wie Droste schreiben, kann man es hier so gerade noch aushalten. THOMAS WEISCHE, Oldenburg