Tschetschenische Wahlfarce endet wie geplant

Wie gewünscht, hat Putins Kandidat Kadyrow die Präsidentschaftswahlen mit großer Mehrheit gewonnen

MOSKAU taz ■ Es kam, wie es kommen sollte. Der Favorit des Kremls für den Präsidentschaftsposten in Tschetschenien, Achmed Kadyrow, gewann die Wahlen mit mehr als 80 Prozent. Die sechs anderen verbliebenen Kandidaten mussten mit jeweils 1 Prozentpunkt vorlieb nehmen. Somit entsprach das Ergebnis auch Vorhersagen unabhängiger Wahlforscher, die von einer Verteilung von 85 zu 15 Prozent ausgegangen waren. Der feine Unterschied: Sie hatten 85 Prozent gegen Kadyrow prophezeit und 15 dafür.

Auch die Wahlbeteiligung mit über 80 Prozent konnte sich sehen lassen. Bereits am Mittag waren 30 Prozent der Wahlberechtigten ihrer Bürgerpflicht nachgegangen. Moskaus gleichgeschaltete staatliche Fernsehsender nannten den Wahltag einen Feiertag für Tschetschenien, das lange auf freie Wahlen hätte warten müssen. Wie zu Sowjetzeiten hatten tanzende Hochzeitspaare im Wahllokal, strahlende Kinder und Volksmusik dem Putinismus Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Beobachter der OSZE, des Europarates und Vertreter russischer Menschenrechtsorganisationen hatten im Vorfeld der Wahlen ihre Beteiligung wegen erheblicher Mängel am demokratischen Procedere abgesagt. Es fanden sich aber dennoch internationale Beobachter, die nach russischen Agenturmeldungen den korrekten Ablauf der Wahlen bestätigten: aus den GUS-Staaten und der Liga arabischer Staaten – nicht unbedingt Horten der Demokatie.

Achmed Kadyrow kündigte unterdessen an, die Kriminalitätsbekämpfung ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen. In der vergangenen Woche hatte das Institute for War and Peace Reporting unterdessen einen geheimen Bericht aus der Feder eines Offiziers des Innenministeriums verbreitet. Der Autor, Alexander Schischin, legt offen, dass Kadyrows Untergebene schon Monate vor den Wahlen mit Erpressung Fundraising betrieben haben. Drei säumige Zahler wurden im Bezirk Wedeno von Maskierten ermordet, schreibt der Offizier. Als zentraler Geldeintreiber fungiert Sulim Jamadajew, stellvertretender Militärkommandant Tschetscheniens und Gebieter über mehrere tausend Mann eigene Truppen. Auch Kadyrows Sohn Ramsan ist in eine Reihe krimineller Vorfälle verwickelt.

Die Bevölkerung schaut pessimistisch in die Zukunft. Die Ernennung Kadyrows bedeutet in den Augen der Mehrheit Fortsetzung des Krieges mit noch grausameren Mitteln.

Die Wahlen als Teil einer Normalisierungsstrategie bereiten den Rückzug Moskaus aus der Region vor. Ohne den Konflikt gelöst zu haben, überlässt Moskau Tschetschenien nun sich selbst. Innertschetschenisches Blutvergießen ist damit programmiert. KLAUS-HELGE DONATH