Kein UN-Contra für Israel

Unter Vorsitz des US-Botschafters Negroponte kann sich der Sicherheitsrat nicht auf eine Verurteilung des israelischen Angriffs auf Syrien einigen. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder hält den syrischen Resolutionsentwurf für „unausgewogen“

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Der syrische Außenminister war sichtlich ungehalten. „Die Aggression gegen Syrien ist ein Akt, der alle Konventionen internationalen Rechts ignoriert und die Lage weiter eskaliert“, schrieb Faruk Scharaa an den UN-Sicherheitsrat, wenige Stunden nachdem israelische Kampfflugzeuge am Sonntag die palästinensische Basis Ain Saheb, 15 Kilometer nordöstlich von Damaskus, angegriffen hatten. Scharaa rief das höchste UN-Gremium auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit Israel nicht weitere provokative Aktionen unternehme.

Doch der Rat konnte sich wieder einmal nicht einigen und verschob die Abstimmung eines von Syrien eingebrachten Resolutionsentwurfs auf unbestimmte Zeit. Da half es auch nicht, dass UN-Generalsekretär Kofi Annan selbst den israelischen Luftangriff auf syrisches Territorium in einer schriftlichen Erklärung verurteilt hatte. Syriens Resolutionsentwurf hatte Gleiches verlangt, aber während sich die meisten Sicherheitsratmitglieder dem verbal anschlossen, warnte der Vertreter Israels davor, dem Entwurf zuzustimmen. Syrien verdiene keine Unterstützung für seine Komplizenschaft beim Morden, erklärte er. „Für Syrien heute ein Sicherheitsratstreffen einzuberufen, ist wie wenn Bin Laden nach dem 11. September den Rat zusammengerufen hätte“, fügte er hinzu.

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wies den Entwurf zurück. Eine abschließende Bewertung sei zwar erst möglich, wenn man den Text im Detail geprüft habe, sagte Schröder. Nach seinen bisherigen Informationen erscheine der Entwurf jedoch „nicht ausgewogen genug“.

Wie der Vertreter Israels nahm auch der US-amerikanische UN-Botschafter John Negroponte, der zurzeit den Vorsitz des Sicherheitsrates führt, Syrien unter Beschuss. „Syrien muss den Terrorismus innerhalb seiner Grenzen abbauen“, forderte er. Es gebe keine Notwendigkeit für eine weitere UN-Resolution.

Unterdessen tauchte die Frage auf, ob der israelische Angriff auf Syrien mit Washington abgesprochen war. Aus der Bush-Regierung verlautet, man habe keinerlei Vorwarnung erhalten und man habe auch keine genauen Informationen, ob es sich um ein Terroristenlager handelte. Das Weiße Haus hat sowohl mit der syrischen als auch mit der israelischen Regierung telefoniert und dazu aufgerufen, die Lage nicht weiter zu eskalieren. Bush, heißt es, habe Scharon nicht gesagt, dass er den Angriff auf Syrien als einen Fehler ansehe.

Unterdessen wird in der arabischen Welt über die Motive des überraschenden israelischen Angriffs gerätselt. Timur Goksel, langjähriger Sprecher der UN-Truppen im Südlibanon, der heute Vorlesungen an Beiruter Universitäten hält, glaubt, dass Israel schlichtweg die Optionen ausgegangen sind, gegen die Anschläge vorzugehen. „Israel hat alles versucht, von Absperrungen der besetzten Gebiete, Häuserzerstörungen bis zu gezielten Ermordungen. Jetzt hoffen sie, dass Syrien die palästinensischen Gruppen unter Druck setzen kann“, sagt er. mit AP

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