Leipziger Olympioniken im Nahkampf

Gegen den Geschäftsführer der Leipziger Olympia GmbH, Thärichen, wurden Stasi-Vorwürfe geäußert. Dabei geht es nicht um Spitzeltätigkeiten. Sondern darum, ob Ossis oder Wessis auf die Häuptlingsposten bei der Olympiabewerbung kommen

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Solch eine Geschichte mit richtigen bösen Stasis fehlte noch im Mäusezirkus um die Leipziger Olympiabewerbung.

Die Welt hat das Monster enttarnt oder einfach nur dessen Internetseite gelesen. Dirk Thärichen, einer der beiden Geschäftsführer der Olympia GmbH, hat bis Januar 1990 für fünf Monate im Leipziger Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ gedient! Er wollte halt Ökonomie studieren, und wie das damals so war, bestand man den Quasi-Numerus-clausus am besten mit einer dreijährigen Armeezeit. Noch besser beim Wachregiment der Staatssicherheit. Über Spit-zeltätigkeit ist damit rein gar nichts gesagt. Zur Erinnerung: Der ambitionierteste Stasi-Jäger im Sächsischen Landtag der ersten Legislaturperiode, der Bündnisgrüne Michael Arnold, diente ebenfalls bei Feliks Dzierzynski.

Sachsens Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen, Michael Beleites, witterte Futter und hielt es für „denkbar“, dass Thärichen im Wendeherbst 1989 an Aktionen gegen Demonstranten beteiligt war. Der dementierte sowohl solche Spekulationen als auch angebliche Verpflichtungen als Inoffizieller Mitarbeiter. Er habe seine Biografie nie versteckt.

Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) stärkte Dirk Thärichen am Wochenende den Rücken. Nach einer Bewertung des Thüringer Stasi-Landesbeauftragten sei der Wehrdienst im Wachregiment nicht einmal mehr bei der Bewerbung im öf-fentlichen Dienst meldepflichtig. „Dass es diese Grenzziehung gibt, ist toll und zeigt, dass wir in einem Rechtsstaat angekommen sind“, sagte Tiefensee. Dennoch kündigte er in derselben Pressekonferenz die Berufung eines neuen Ersten Geschäftsführers an, die aber angeblich nicht mit den Vorwürfen gegen Thärichen im Zusammenhang stehen soll.

Am 18.Oktober will der Aufsichtsrat der GmbH den Namen bekannt geben. Seit längerem wird über die Bestellung eines dritten, maßgeblichen Geschäftsführers gemunkelt. Als Favorit gilt der Exschwimmstar „Albatros“ Michael Groß, während der Leipziger Olympiabeauftragte Burghard Jung und Olympia-Staatssekretär Wolfram Köhler kaum über internationales Renommee verfügen dürften.

Die Vorgänge verweisen allerdings auf anhaltende Spannungen innerhalb des Olympia-Personals, hinter denen klassische Ost-West-Ressentiments stehen. „Zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer“, bemerkte Ministerpräsident Georg Milbradt einmal. André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion und Torschützenkönig des „FC Landtag“, greift dieses Bild auf: „An Tiefensee kommt man nicht mehr vorbei, aber sonst dürfen Ostdeutsche im Zweifel noch Indianer, aber keine Häuptlinge werden.“ Das galt beispielsweise für Mike de Vries, den ab 1. Juli berufenen und für das Marketing zuständigen zweiten Geschäftsführer. Der erklärte Favorit von NOK-Chef Klaus Steinbach kam gegen den Willen von Tiefensee ins Amt. „Die Olympiabewerbung könnte an personellen Querelen scheitern“, befürchtet Hahn.

Gleich doppelten Frust gibt es wegen des am 1. September beschlossenen neuen Kompakt- oder 10-km-Konzepts, das die Aktivitäten praktisch in Leipzig zentralisiert. Ehemalige westdeutsche Konkurrenten mit ähnlichem Konzept fühlen sich verschaukelt und schimpfen wie der Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin über den Leipziger „Dilettantismus“. Und die ehemaligen sächsischen Partnerstädte, die nun außen vor bleiben, fallen zumindest finanziell als künftige Unterstützer aus. Staatssekretär Köhler, ehemals Oberbürgermeister in Riesa und Ideenstifter der Olympiabewerbung, ist gebremster Elan unübersehbar anzumerken.

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