Die SPD hat ein gutes Gefühl

Der Vorstand beschließt zwei Leitanträge für den Parteitag und widmet sich nur kurz dem Streit um die Arbeitsmarktreformen. Natürlich ist die SPD-Spitze optimistisch

BERLIN taz ■ Jeder Sozialdemokrat, der gerne möchte, dass Gerhard Schröder noch lange Bundeskanzler bleibt, hat einen Traum, und der geht so: Bis Weihnachten hat der Bundestag mit rot-grüner Mehrheit alle umstrittenen sozialpolitischen Reformen verabschiedet. Im Jahr 2004 widmet sich die SPD dann wieder den guten und schönen Fragen, mit denen sie bei ihren Anhängern viele Punkte machen kann, wie der Familien- oder der Bildungspolitik. Damit gewinnt sie bei den diversen Wahlen im nächsten Jahr ein paar Stimmen dazu, um 2005 die sozialdemokratische Hochburg Nordrhein-Westfalen ruhmreich zu verteidigen. Und 2006 der krönende Abschluss: Schröder wird zum dritten Mal hintereinander Kanzler.

Natürlich ist es erlaubt, sich über diesen Traum lustig zu machen. Aber die SPD hat sich gestern schon mal gedanklich ein wenig in diese Traumwelt begeben. Ungeachtet des harten Streits über die Arbeitsmarktreformen hat der Bundesvorstand zwei Leitanträge für den Parteitag im November verabschiedet, die sich mit Fragen beschäftigen, die für die Genossen weitaus angenehmer sind als die Sozialhilfereform: der Außenpolitik und der Familienpolitik.

In beiden Anträgen steht nichts revolutionär Neues. Andererseits enthalten sie eine Reihe von Punkten, die die SPD in ihrer aktuellen Politik zwar schon vollzogen, aber als Partei auch noch nie formal beschlossen hat. In der Familienpolitik bleibt die Ganztagsbetreuung das sozialdemokratische Aushängeschild. Im außenpolitischen Leitantrag wird eine zivile, mit internationaler Entwicklungshilfe und Konfliktprävention verbundene Außenpolitik beschrieben. Antiterroreinsätze wie zum Beispiel in Afghanistan werden als „legitime Anlässe für den Einsatz auch militärischer Mittel“ bezeichnet. In dem Kapitel zur Wehrpflicht wird festgestellt, dass die SPD am Wehrdienst festhält. Das ist in der Partei weniger umstritten, als es in dem Antrag steht. Um einen Streit auf dem Parteitag zu vermeiden, verkündete die SPD-Führung gestern, dass sie für das Jahr 2004 eine Sonderkonferenz zum Thema Wehrpflicht plant.

Das Vorstandstreffen war eine „dröge Antragssitzung“, wie ein Teilnehmer berichtete. Sogar Rudolf Scharping habe sich mit Vorschlägen zu Wort gemeldet, fügte er viel sagend hinzu. Der aktuelle Reformstreit spielte nur kurz eine Rolle. Fraktionschef Franz Müntefering berichtete der Runde, er habe etliche Briefe von Kritikern der Hartz-Reformen erhalten. Das war’s. Generalsekretär Olaf Scholz merkte umgehend an, dass viele Briefeschreiber angekündigt hätten, sie würden den Arbeitsmarktreformen im Bundestag in jedem Fall zustimmen. „Ich habe das Gefühl, dass wir am 17. Oktober eine Mehrheit haben werden“, sagte Scholz. Worauf er sein Gefühl stütze, will eine Journalistin wissen. Scholz’ Antwort: „Sie müssen meinen Gefühlen einfach trauen.“ JENS KÖNIG