Hardrock, schöner als bei „Iron Maiden“: „Favez“ im Molotow
: Schmerz und Euphorie im gemischten Doppel

Die Band steht offenbar auf die Ochsentour im Rockgeschäft. Schon seit Jahren sind die Schweizer Favez pausenlos unterwegs, eine endlose Kette von Auftritten in Klubs mit Namen wie „Schlachthof“, „AKW“, „Café Trauma“ oder “Hafenklang“. Oder auch mal in größeren Hallen, als Vorgruppe. Doch Favez scheinen nicht anders zu können – auf der Bühne zu stehen ist ihnen zum Lebenselexier geworden.

Ihre Musik vereinigt die schönsten Momente harter Gitarren: Die rebellische Attitüde der Punkjahre, die Emotionalität und Dringlichkeit des Hardcore und die Gitarrenphrasen des frühen Hardrock werden zu einer hymnischen Rockmusik, die die Welt in den Arm nimmt – und den Nerv der Zeit trifft. Vor ein paar Jahren ist ein komischer Begriff dafür gefunden worden: Von Emocore wird seitdem wieder viel gesprochen, wenn die Songs ins Herz stechen, wenn Schmerz und Euphorie zum gemischten Doppel antreten. Vom Bühnenrand sieht das dann so aus: Innerhalb von Minuten triefen die T-Shirts der vier Favez-Mitglieder vor Schweiß, denn Springen, Schütteln und Schreien gehören zum Pflichtprogramm jedes emotionalen Herzbuben. Gerade ist ihr neues Album Bellefontaine Avenue beim Hamburger Label Stickman-Records erschienen – jetzt machen Favez auch mal wieder im Molotow Station.

„Life it ain‘t nothing but trouble. Life it ain‘t nothing but pain“ sangen sie auf Favez (From Lausanne, Switzerland) zur Mundharmonika – als irrlichternde Nachfolger von Robert Johnsons Bluesklagen. Selten hat man zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug mit solcher Euphorie musizieren sehen. Favez-Musik ist zuckende Energie-Musik, hart, hämmernd, übersteuert. Dann wieder von kristalliner Schärfe. Koffein-Musik, die binnen Sekunden hellwach macht. Schneidende, stakkatohafte Gitarrenakkorde, eine dichte, druckvolle Rhythmusgruppe aus Bass und Schlagzeug – und obendrauf Popmelodien und Mitsingrefrains als süßer Zuckerrand.

In hinreißendem Deutsch-Französisch erklären Favez gerne auch mal selbst ihre Musik, wie bei einem Konzert im vergangenen Jahr: „Hardrock, aber nicht so wie Iron Maiden oder Manowar. Viel schöner – mit Melodien!“ Ja, so kann man das auch sagen. Wer mit harten, flirrenden Gitarren mit gutem Siebziger-Hardrock-Einschlag und den verdammten Leiden junger Männer etwas anfangen kann, der sollte diesen Abend nicht versäumen. Vielleicht, aber nur vielleicht spielt Sänger und Gitarrist Chris Wicky ja auch ein paar Stücke aus seinem Country-Folk-Soloalbum Lay Your Head on the Soft Rock. Todtraurige Gitarrensongs, so trocken wie ein alter Kaktus im Sand. Irgendwann macht jeder mal eine Country-Pause, selbst gestandene Indie-Rocker. MARC PESCHKE

Dienstag, 21 Uhr, Molotow