Gökce im Paradies

Seit Beginn dieses Schuljahrs wird in Tenever „Islamkunde“unterrichtet – ein Feldversuch der Schulbehörde

Bremen taz ■ Wie es in der Hölle so zugeht – das möchte Gökce in Islamkunde gerne lernen. Andere Interessensgebiete der Zehnjährigen sind das Paradies und Geschichten über Propheten. Gökce ist eines von 31 Kindern, die im Schulzentrum Koblenzer Straße in Tenever das Fach Islamkunde besuchen. Noch wird dies an keiner anderen Bremer Schule angeboten, es ist ein Feldversuch der Bremer Schulbehörde. Das Ziel: Langfristig soll Islamkunde an allen Bremer Schulen unterrichtet werden.

Seit diesem Schuljahr haben die Kinder der fünften Klassen in Tenever die Qual der Wahl zwischen den Fächern „Biblische Geschichte“, Philosophie – und eben Islamkunde. Etwa 25 Prozent der Kinder am Schulzentrum sind Moslems, schätzt Schulleiter Gerd Menkens. Daher habe man sich auch für diesen Schulversuch interessiert. Zwei Stunden pro Woche unterrichtet nun die Lehrerin Sibel Besir die 10- und 11-Jährigen in den Grundlagen des Islam. Sie spricht mit ihnen über die Propheten, über Bräuche wie das Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka, über Glaubensgrundsätze und den Aufbau einer Moschee. Und über Adam und Eva. „Ich habe bewusst mit Adam und Eva angefangen – diese Geschichte haben ja Juden, Christen und Moslems gemeinsam.“ Sie will den Kindern beibringen, was die Religionen eint, nicht was sie trennt.

Sibel Besir ist 33 Jahre alt, hat Kunst und Deutsch an der Bremer Uni studiert und ist Muslima. Anders als einige ihrer Schülerinnen trägt sie kein Kopftuch. „Die Kinder sehen: Ich trage kein Kopftuch und bin doch Muslima. Sie akzeptieren mich wie ich bin – und das ist ein Ziel des Unterrichts: Toleranz lernen.“

Den Lehrplan für Islamkunde hat das „Landesinstitut für Schule“ erarbeitet. Grundlage dafür war ein Konsenspapier von Bildungsbehörde, islamischen Gruppen in Bremen und den beiden großen Kirchen. Die Bildungsbehörde machte dabei vier verbindliche Vorgaben:

Der Lehrplan muss mit der Behörde abgestimmt sein, die Lehrer müssen an einer deutschen Uni studiert haben, der Unterricht muss auf Deutsch und offen für alle Schüler sein. Auch christliche Kinder oder solche ohne festen Glauben können also die Welt des Islam erforschen. Tun sie aber nicht, zumindest nicht in Tenever.

In den kommenden Jahren soll der Islamunterricht auch auf andere Klassenstufen ausgedehnt werden – und langfristig an allen Bremer Schulen im weltanschaulichen Angebot sein. „Jährlich sollen mindestens zwei Schulen dazukommen“, wünscht sich Werner Willker von der Schulbehörde.

Dazu muss jedoch das Bremer Schulgesetz geändert werden, „irgendwann in dieser Legislaturperiode“, so Willker. Bislang können Bremer Schüler zwischen „Biblischer Geschichte“ und Philosophie wählen. Wer keine christliche Unterweisung wünscht, kann sich philosophisch bilden – oder nach Hause gehen. Nun wird Islamkunde als drittes Fach verankert. Nach Hause gehen darf dann allerdings niemand mehr.

Dorothea Siegle