: Diffamierung von UNHCR
betr.: „Eine Welt von Flüchtlingen“, taz vom 2. 10. 03 zum „Tag des Flüchtlings“
Ich bin erleichtert, die Flüchtlinge werden an „ihrem“ Tag nicht von Ihnen belächelt. Dafür müssen die herhalten, die eigentlich helfen wollen: die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR.
Flüchtlinge, die sich nicht von der UNHCR registrieren lassen, erschienen in keiner Statistik und bekämen keine Hilfsgüter, kritisiert der fachkundige Autor Dominic Johnson. Das stimmt. Nur auf was soll UNHCR denn seine Statistik stützen, wenn nicht auf die Zahl der Registrierungen? Und UNHCR soll die Hilfsgüter wohl per Post an Unbekannt schicken? Es sei wohl auch UNHCR daran schuld, dass so wenige Flüchtlinge in die reichen Industrienationen kommen könnten. Wir wäre es, wenn Sie die Schuld bei den restriktiven Einwanderungsgesetzen zum Beispiel unserer schönen BRD suchen würden anstatt bei der Organisation, die versucht, Regierungen bezüglich liberalerer und menschenwürdigeren Asylsysteme zu beeinflussen?
UNHCR müsse auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass sich nach wie vor ruandische Milizen in den kongolesischen Wäldern herumtreiben, weil sie Flüchtlingslager zu nahe an der Grenze gebaut haben. Interessante These, jedoch verwechseln Sie etwas: UNHCR sind die mit den blauen Baseballmützen, die Nahrungsmittel verteilen und Zeltstädte errichten, nicht die mit den blauen Helmen und den Maschinengewehren. Was hätten Sie 1994 bei einer halben Million ermordeten Menschen und drei Millionen Flüchtlingen gemacht? Hübsche Flüchtlingslager mitten in den Wirren aufgebaut und wild bewaffnete Truppen davon abgehalten, sich im Urwald zu verstecken?
In ihre Diffarmierung von UNHCR reiht sich die These ein, UNCHR hätte deswegen die Lage in Westafrika nicht im Griff, weil es das Vertrauen der Bevölkerung durch sexuellen Missbrauch von Flüchtlingsmädchen und -frauen verloren hätte. Es ist nicht zu leugnen, dass Mitarbeiter humanitärer Organisationen sich sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben. Im November 2001 hat UNHCR selbst das Office of Internal Oversight Services (OIOS) gebeten, Berichte zu sexuellem Missbrauch in Westafrika durch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu untersuchen. Den Bericht über die Vorfälle in Liberia, Guinea und Sierra Leone hatten zwei Berater, die von UNHCR und Save the Children UK vertraglich angestellt waren, verfasst. Daraufhin hat das Amt unabhängige Untersuchungen in den Flüchtingslagern veranlasst, in dem Betroffene befragt und Beweismaterialien sichergestellt worden sind. Ergebnis: Gegen einen Freiwilligen, der für UNHCR gearbeitet hat, und einen Peacekeeper konnten Vorwürfe erhoben worden, wie der abschließende Bericht festhält. Von systematischem sexuellem Missbrauch kann nicht die Rede sein.
Auch wenn diese Einzelfälle schrecklich sind, so hat das Aasgeiertum, mit dem die Presse solche Fälle ausschlachtet, Hilfsorganisationen immens geschadet. Die Krisengebiete Afrikas sind voll von Mädchen und Frauen, die furchtbare Qualen durch Massenvergewaltigung und Zwangsprostitution im Krieg erlebt haben. Das interessiert keinen, solange bis ein UN-Mitarbeiter des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden kann.
PATRIZIA HEIDEGGER, Berlin
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