Folterknecht mit Hang zur heiligen Messe

Pedro Durán Sáenz soll während Argentiniens Diktatur die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann umgebracht haben

Am Dienstag hat ihn die Vergangenheit eingeholt: Da ist der des Mordes an einer Deutschen verdächtigte argentinische Exmilitär Pedro Durán Sáenz in seiner Heimat verhaftet worden. Während der dortigen Militärdiktatur (1976 bis 1983) kam er nur an den Wochenenden nach Hause in das beschauliche Dorf Azul in der Provinz Buenos Aires. Von Montag bis Freitag zog er es vor, in der engen Industriestadt La Matanza zu leben. Genauer: an der Ecke der Avenida Riccheri und dem Camino de la Cintura. Hier war in drei Häusern das von ihm befehligte geheime Folterzentrum „El Vesuvio“ untergebracht. Durán kontrollierte seine Gefangenen Tag und Nacht.

In sein Folterzentrum verschleppten die Militärs politische Gefangene aller Schattierungen: Peronisten, Kommunisten und Bürgerliche. Christen, Juden und Atheisten. Auch die deutsche Soziologiestudentin Elisabeth Käsemann war, wie Zeugen berichteten, mehrere Wochen lang im „El Vesuvio“ inhaftiert und gefoltert worden. Käsemann war am 9. März 1977 in Buenos Aires verhaftet worden und zunächst in das Gefangenenlager „Campo Palermo“ verschleppt worden, ehe sie im „El Vesuvio“ Durán Sáenz überlassen wurde. Eine britische Freundin, die Tage später ebenfalls festgenommen wurde und in Verhören nach Käsemann befragt wurde, kam nach der schnellen Intervention ihrer Regierung wieder frei.

Nicht so Käsemann. Trotz ihres schlechten Gesundheitszustands wegen der Folter verweigerte ihr Durán Sáenz medizinische Hilfe. Am 23. Mai wurde sie mit 15 anderen Gefangenen an einen unbekannten Ort gebracht und ermordet. Tags darauf berichteten Zeitungen unter Berufung auf den für diese Region zuständigen General, bei einem Gefecht zwischen Guerilleros und Soldaten seien 16 Subversive erschossen worden. Darunter auch eine „Isabella Kasermann“.

Käsemanns Vater, der nach der Nachricht des Todes seiner Tochter nach Argentinien reiste, musste 22.000 Dollar an die Militärs bezahlen, um den Leichnam seiner Tochter ausgehändigt zu bekommen. Die Leiche hatte weder Haare noch Augen. Gerichtsmediziner in Tübingen stellten später als Todesursache fest, dass die Frau von hinten erschossen worden war.

Durán Sáenz wurde bisher nicht zur Rechenschaft gezogen. Er lebte als unbescholtener Bürger: Der Vater einer kinderreichen Familie besucht regelmäßig die heilige Messe. Nach der Rückkehr zur Demokratie wurde er unter der Regierung von Präsident Carlos Alfonsín als Militärattaché an die argentinische Botschaft nach Mexiko entsandt. Erst der Protest dort lebendender Argentinier führte zu seinem Rücktritt. 1997 wurde er in der Gemeinde General Alvear in der Provinz Buenos Aires als Berater der lokalen Behörden berufen. Noch im vergangenen Jahr hatte Deutschland wegen des Falles Käsemann erfolglos seine Auslieferung beantragt.

Während der Diktatur gab es etwa 300 geheime Gefangenenlager. Nur wenige davon sind heute Gedenkstätten, oder es erinnert gar eine Tafel daran, dass dort gefoltert wurde. Die Gebäude von „El Vesuvio“ sind abgerissen. Ein ehemaliges Folterzentrum im Stadtteil Belgrano von Buenos Aires war in den 90er-Jahren gar ein Partykeller – mindestens ein ehemaliges Juntamitglied hatte es gemietet, um dort die Hochzeit seiner Tochter zu feiern. INGO MALCHER