Parteitag einer politischen Leiche

Die britischen Tories tagen im nordenglischen Seebad Blackpool. Die Mitglieder der Partei sind über ihren Chef Duncan Smith maßlos enttäuscht. Und 42 Prozent der Bevölkerung halten die Liberalen Demokraten für die eigentliche Oppositionspartei

von RALF SOTSCHECK

Es steht nicht gut um die Tories, und um ihren Parteiführer Iain Duncan Smith steht es noch viel schlechter. Er kämpft auf dem Parteitag im nordenglischen Seebad Blackpool um sein politisches Überleben. Die Zeitungen haben es längst aufgegeben, ihn zu kritisieren, sie machen sich nur noch lustig über ihn. „Der unsichtbare Mann richtet weniger aus als eine Mücke, die einem Elefanten in den Hintern sticht“, spottete die Sun Anfang der Woche. Der Daily Telegraph, der wegen seiner Nähe zu den Konservativen auch „Torygraph“ genannt wird, bildete den kahlköpfigen Tory-Führer zum Auftakt des Parteitags in Blackpool am Dienstag vor einer runden Glühbirne ab, die ihm eine Art Heiligenschein verlieh. Es sah aus, als ob er im Begriff sei, die Niederungen der Politik zu verlassen.

Und das muss er vermutlich auch, bevor der Winter vorbei ist. Zwar versprach Duncan Smith, vor den nächsten Wahlen in zwei Jahren gegen Blair „in den Nahkampf“ zu gehen. Doch die Parteibasis, die ihn gewählt hat, ist maßlos enttäuscht. Duncan Smith hofft darauf, dass sie keine Alternative haben. „Man fragt, wen sie wählen wollen, und sie haben keine Ahnung“, sagte er.

Aber seine Konkurrenten, die er vor zwei Jahren bei der Wahl zum Parteiführer besiegt hat, regen sich wieder. Kenneth Clarke, der frühere Schatzkanzler und prominente Pro-Europäer, merkte nicht ohne Genugtuung an, dass Duncan Smith „wieder einmal in Schwierigkeiten“ stecke. Douglas Hurd, unter Margaret Thatcher Außenminister, sagte über Duncan Smiths Unterstützung für den Irakkrieg: „Er hat sich von Tony Blair hinters Licht führen lassen.“

Duncan Smiths Anhänger – es sind nicht mehr viele – raten den Kritikern, den Mund zu halten. Die Parteivorsitzende Theresa May, die angeblich nicht mehr mit Duncan Smith spricht, sagte: „Ich glaube, alle sind beeindruckt, wie prächtig sich Iain entwickelt hat. Die Schulungskurse haben sich ausgezahlt, seine Reden sind besser geworden.“ Ist das die Lobpreisung einer loyalen Vorsitzenden? „Die Zeit der Illoyalität ist bei den Tories vorbei“, antwortete May lahm.

Blairs Schwierigkeiten als Folge des Irakkriegs, der seiner Glaubwürdigkeit schweren Schaden zugefügt hat, sind für Duncan Smith kein Vorteil, sondern ein erheblicher Nachteil. Wenn er schon gegen einen angeschlagenen Labour-Premier keine Punkte machen kann, brauche man zu den nächsten Wahlen gar nicht erst anzutreten, murrt die Parteibasis. Ein Signal war die Nachwahl vergangenen Monat in Brent East, einer traditionellen Labour-Hochburg. Von der Unzufriedenheit mit der Regierung profitierten lediglich die Liberalen Demokraten, die den Sitz gewannen. Die Tories landeten auf dem dritten Platz.

Längst schauen die Konservativen nicht mehr nach vorn auf Labour, sondern sie blicken ängstlich über die Schulter auf die Liberalen, die beständig Boden gutmachen. Bei einer Umfrage am Montag sagten 42 Prozent, dass die Liberalen die wahre Oppositionspartei seien. Kaum die Hälfte wusste, wie der Tory-Führer heißt. Nun haben sich auch noch die reichen Spender von den Tories abgewandt und geben ihr Geld lieber der Labour Party.

Aus Schottland und Wales sind die Tories längst verschwunden, im Norden Englands haben sie nur noch 17 Abgeordnete. Ihre Hochburg, wenn man das überhaupt so nennen kann, ist der Südosten Englands, wo sie 73 Abgeordnete stellen. Daran orientiert sich auch ihre Politik. Ganz oben auf der Tagesordnung steht die Verschärfung des Asylrechts, denn die Asylbewerber landen vornehmlich im Südosten Englands. Arbeitslosigkeit und Mindestlohn sind hingegen keine Themen, statt dessen sorgen sie sich um Kapitalertragssteuer, Hauspreise und die Londoner City-Maut.

Mit der Forderung, die Staatsrenten künftig wieder an die allgemeine Einkommensentwicklung zu koppeln, will man die „Dauerwellenbrigade“, wie die ehemals Tory-treuen Rentnerinnen bei den Konservativen geringschätzig heißen, wieder an sich binden. Die höhere Staatsrente soll finanziert werden, indem die Briten mehr Kinder zeugen, schlug der Rentenexperte David Willetts vor. „Der Tory-Krieg gegen allein erziehende Mütter ist vorbei“, erklärte er.

Mit einem solchen Programm sind keine Wahlen zu gewinnen. Viele Tories setzen deshalb ihre Hoffnungen auf den Nachwuchs. Vorigen Freitag wurde Adam Afriyie als Kandidat für den Wahlkreis Windsor gewählt. Es ist das erste Mal, dass die Tories einen Schwarzen für einen sicheren Abgeordnetensitz nominiert haben. Kann er auch der erste schwarze Premierminister Großbritanniens werden? „Die Konservativen haben den ersten jüdischen, den ersten unverheirateten und den ersten weiblichen Premier gestellt“, sagt der 38-jährige. „Wer weiß? Alles ist möglich.“ Aber nicht in diesem Jahrzehnt.