Türkei im Irak nicht erwünscht

Nach der Parlamentsentscheidung über eine Truppenentsendung ins Nachbarland stehen nun Verhandlungen mit den USA über die genauen Modalitäten an

ISTANBUL taz ■ Einen Tag, nachdem das türkische Parlament die Regierung grundsätzlich zur Truppenentsendung in den Irak ermächtigt hat, konzentriert sich die Diskussion in Ankara nun auf die Frage, ob die Soldaten im Nachbarland überhaupt erwünscht sind. Noch während des Abstimmungsprozesses am Dienstagnachmittag hatte Oppositionsführer Deniz Baykal die Abgeordneten gewarnt, der provisorische Regierungsrat des Irak hätte geschlossen gegen die Anwesenheit türkischer Truppen im Land gestimmt. Die Nachricht ging zurück auf eine Äußerung eines der kurdischen Vertreter im Regierungsrat und war in Ankara nicht offiziell übergeben worden. Die Stellungnahme wurde von Regierungsvertretern deshalb zu einer Einzelmeinung heruntergespielt.

Trotzdem weiß man natürlich in Ankara, dass nicht nur die irakischen Kurden, sondern auch die meisten schiitischen und sunnitischen Vertreter grundsätzlich dagegen sind, Truppen aus den Nachbarländern im Irak zu stationieren. Man befürchtet nicht nur die Einmischung der Türkei, sondern auch Einflussnahmen aus Iran und Syrien. Trotz dieser unverkennbaren Signale sind die USA offenbar sehr erleichtert, dass jetzt erstmals ein muslimisches Land bereit ist, der US-Armee mit einem militärisch relevanten Kontingent eigener Soldaten zur Hilfe zu eilen. Diese Erleichterung ist so groß, dass Washington die Einwände aus Bagdad und Arbil zur Seite wischt und auch bereit ist, allen Wünschen aus Ankara entgegenzukommen.

So äußerte ein Sprecher des US-Außenministeriums bereits, man werde sich an der Finanzierung des türkischen Einsatzes beteiligen. Es scheint auch, dass Washington der türkischen Armee für ihren Abschnitt die volle Befehlsgewalt zubilligen will. Das Pentagon hofft, dass die Türkei bereit ist, möglichst bald den größten Teil des so genannten sunnitischen Dreiecks nordwestlich von Bagdad zu übernehmen, also den Teil des Landes, in dem die meisten Angriffe auf US-Truppen stattfinden.

Ankara hatte im Vorfeld der Entscheidung eine Reihe sunnitischer Stammeschefs eingeladen und sich angeblich deren Unterstützung versichert. Nun sollen noch vor den Soldaten türkische Bautrupps für gute Stimmung sorgen und rund um Bagdad einige Moscheen reparieren.

Doch vor allem im kurdisch kontrollierten Nordirak wird man damit die Bedenken gegen türkische Truppen nicht zerstreuen können. Die Kurden fürchten nach wie vor, dass das eigentliche Ziel der Türkei sei, einen Kurdenstaat zu verhindern. Zunächst einmal haben die USA Ankara zugesichert, dass sie im Gegenzug für die Unterstützung bereit sind, die rund 5.000 bewaffneten Anhänger der PKK/Kadek aus dem Nordirak zu vertreiben, was sicher zu Komplikationen mit den Kurden insgesamt führen wird. Außerdem müssen die türkischen Truppen auf dem Weg nach Bagdad den kurdischen Norden durchqueren und werden deshalb darauf bestehen, ihre Nachschublinien auch militärisch zu sichern. Die Klärung dieser Fragen wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

JÜRGEN GOTTSCHLICH