Klage gegen Atomausstieg

Baden-Württemberg will das rot-grüne Atomgesetz in Karlsruhe zu Fall bringen, findet aber nicht den richtigen Dreh. Jetzt soll ein neues Gutachten eingeholt werden

FREIBURG taz ■ Baden-Württemberg lässt nicht locker. Das Land will den vor drei Jahren beschlossenen Atomausstieg rückgängig machen. Derzeit werden zwei Wege hierzu diskutiert: eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und – etwas erfolgversprechender – der Gewinn der nächsten Bundestagswahlen.

Anlass für den baden-württembergischen Vorstoß ist die große Abhängigkeit des Landes von Atomstrom. 58 Prozent der Stromproduktion im Südweststaat stammen von fünf Atomkraftwerken (Obrigheim und je zwei Blöcke in Neckarwestheim und Philippsburg). Eine Ausweitung fossiler Kraftwerke lehnt Ministerpräsident Teufel aus Klimagründen ab, zusätzlichen Stromimport wegen Gefahren für die Versorgungssicherheit. Die Atomkraftwerke sollen deshalb länger am Netz bleiben als gesetzlich vorgesehen. Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) hält eine Laufzeit von 50 Jahren für möglich.

Dem steht allerdings noch das von Rot-Grün novellierte Atomgesetz entgegen. Ob die Landesregierung hiergegen eine Verfassungsklage einreicht, weiß sie noch nicht. Das Kabinett beauftragte Wirtschaftsminister Döring bislang nur, die Erfolgsaussichten einer Klage zu prüfen. Doch wirklich weitergekommen ist er noch nicht.

Ein erstes Gutachten des Bonner Staatsrechtlers Matthias Schmidt-Preuß liegt inzwischen zwar vor, doch die Landesregierung ist nicht zufrieden damit. „Wir haben Bedenken, dass die Argumentation zu einer erfolgreichen Klage nicht reicht“, heißt es aus Regierungskreisen.

Inzwischen ist die Landesregierung in Verhandlungen mit dem Altmeister der konsvervativen Staatsrechtslehrer Josef Isensee. Möglicherweise soll er ein zweites Gutachten erstellen. Doch die Sache ist heikel, nicht nur weil Isensee an der gleichen Uni lehrt wie Schmidt-Preuß. Je mehr Gutachten die Landesregierung anfordert, umso deutlicher wird auch die Schwäche ihrer Position. Momentan gilt die Sprachregelung, Schmidt-Preuß habe ein „vorbereitendes Gutachten“ erstellt, während von Isensee eine „vertiefende Analyse“ erwartet wird.

Eine mögliche Verfassungsklage würde voraussichtlich auf zwei Punkte gestützt: die angeblich fehlende Zustimmung des Bundesrates und die Eigentumsrechte der Energieversorgungsunternehmen. Da aber der Atomausstieg ohne Beteiligung von Landesbehörden vor sich geht und die Restlaufzeiten sehr großzügig bemessen sind, muss Rot-Grün vor einer Klage nicht erzittern. CHRISTIAN RATH