Teenager sollen weiter rauchen

Wird die Tabaksteuer niedriger, damit alle brav weiterqualmen? Vor allem Kinder würden sich sonst die Kippen sparen

BERLIN taz ■ Raucher werden so erleichtert wie rasselnd aufatmen. Der Finanzausschuss des Bundestags wird die geplante Erhöhung der Tabaksteuer vermutlich reduzieren. Die für vergangenen Mittwoch im Ausschuss angesetzte Entscheidung darüber, dass die Tabaksteuer wie vorgesehen pro Zigarette in drei Schritten um 1,5 Cent – insgesamt also 4,5 Cent – angehoben werden solle, wurde auf den 15. Oktober verschoben. Grund: Man will „prüfen“, sprich darüber verhandeln, ob eine Erhöhung um 1,2 Cent pro Zigarette und Schritt nicht ausreicht. Die Bundestagsabstimmung über die Tabaksteuererhöhung ist für den 17. Oktober angesetzt.

Anlass für diese „Prüfung“ ist ein von der Union vorgelegtes und von der Tabakindustrie bezahltes Zahlenwerk, wonach eine Erhöhung um 1 Cent pro Zigarette (immer in drei Schritten) mehr Steuern einbringe als eine Erhöhung um 1,5 Cent. Dies sehen die rot-grünen Mitglieder des Ausschusses nun als Möglichkeit, ihre Ursprungsidee zu verwirklichen, die lautet: 1,2 Cent pro Zigarette tun’s auch. Das Ganze würde dann „Kompromiss zwischen Union und Rot-Grün“ genannt.

Es handelt sich jedoch eher um einen Sieg der Finanzpolitik über die Gesundheitspolitik. Denn es waren die Finanzpolitiker um die grüne Ausschussvorsitzende Christine Scheel, die zu Beginn der Tabaksteuerdebatte 1,2 Cent gefordert hatten. Dann kamen die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition um die Gesundheitsreform. Die Gesundheitsexperten einigten sich auf 1,5 Cent in drei Schritten, also eine Erhöhung des Schachtelpreises um etwa einen Euro. Nach dem Reformfinanzplan sollen mit der Tabaksteuer die so genannten versicherungsfremden Leistungen – Mutterschaftsgeld und Co – bezahlt werden. Den Kassen wurde garantiert, dass sie im Jahr 2004 eine Milliarde, 2005 2,5 Milliarden und in den darauf folgenden Jahren 4,2 Milliarden Euro von Finanzminister Hans Eichel (SPD) bekämen.

Eichel – und mit ihm die Finanzpolitiker – bezweifelten von vornherein, dass er diesen Wünschen entsprechen könne, und behauptete, die Raucher würden auf geschmuggelte Rauchwaren ausweichen, wenn die Preise zu stark anstiegen. Außerdem aber gäben zu viele Leute das Rauchen ganz auf – keine Raucher, keine Steuern. Ebenso argumentiert nun die Tabakindustrie: In einem Gutachten, das nun auch im Finanzausschuss eine gewisse Rolle spielt, wird behauptet, dass es einen „Preisschock“ gäbe, wenn der Zigarettenpreis um 1,5 Cent pro Stück steige. Verlässliche Daten zum Verhalten der Raucher hat freilich niemand, woher auch?

Die Gesundheitspolitiker schnauben. „Die Tabakindustrie will die Kinder haben“, sagt der SPD-Gesundheitsexperte Klaus Kirschner. Bekanntermaßen seien es Kinder und Jugendliche, die „preissensibel“ reagierten. Eine krasse Erhöhung sei daher umso gerechtfertigter, jedes Abweichen nach unten von den 1,5 Cent ein Einknicken vor der Tabaklobby. Kirschner will sich freilich nicht festlegen, im Bundestag am 17. Oktober gegen ein 1,2-Cent-Modell zu stimmen.

Der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach sagt, jede Regelung unterhalb der 1,5-Cent-Linie sei ein „Steuergeschenk an die Zigarettenindustrie mit Todesfolge“. Nach seinen Kalkulationen könnten 10.000 Raucher-Tode vermieden werden, wenn der Preis einer Zigarette um 4,5 statt um drei Cent stiege. ULRIKE WINKELMANN