Heiliger Tony als europäischer NBA-Sendbote

Spielmacher Tony Parker führt NBA-Champion San Antonio Spurs in Paris zu einem 105:93 gegen die Memphis Grizzlies. David Stern, Commissioner der Liga, hätte künftig gern mehr solche Auftritte seiner Basketballer in Europa

PARIS taz ■ Flanieren durch das Pariser Stadtviertel Montmartre, Kunstgenuss im Louvre, das Erinnerungsfoto am Eiffelturm und ein Tagesausflug samt Weinprobe in die schöne Champagne: So lässt sich für Gregg Popovich, Weinliebhaber und nebenbei Trainer von NBA-Meister San Antonio Spurs, eine Reise nach Europa samt Vorbereitungsspiel wahrlich aushalten.

Die nordamerikanische Profi-Basketball-Liga war nach vier Jahren Pause zum ersten Mal wieder zu einem „Exhibition Game“ nach Europa gekommen. Im Pariser „Palais Omnisports“ trafen der amtierende NBA-Champion San Antonio Spurs und die Memphis Grizzlies aufeinander. Wie aus solch einer Stippvisite langfristig ein Dauerbesuch mit sportlichem Wert werden könnte, erläuterte NBA-Commissioner David Stern, der seit Jahren einen „aggressiveren Einsatz“ seiner Liga in Europa anstrebt, am Rande der Begegnung.

Die NBA will dabei eigene Mannschaften schicken und keinen europäischen Ableger – wie die NFL – gründen. Die mit diesem Schritt auftretenden Bedenken gegen Reisestrapazen und Sprachprobleme zerstreute der in Abwesenheit von Dennis Rodman so gut wie immer entspannte Ligapatron gleich: „Basketballer kriegen das genauso gut hin wie Tennisspieler.“ Wenn die Trips zwei bis drei Wochen und nicht nur ein paar Tage dauern würden, „dann spielen wir auch hier problemlos auf NBA-Niveau“, hatte vorher Flügelspieler Shane Battier von den Memphis Grizzlies gesagt.

Was die Mannschaften aus der Neuen Welt derzeit und auch noch auf längere Sicht vom regelmäßigen Besuch auf dem Fußballkontinent abhält, ist die fehlende Infrastruktur nach US-Vorbild. „Die durchgehend modernen Arenen fehlen noch, außerdem Fans, die nicht nur ein Vorbereitungsspiel, sondern 41 Heimspiele besuchen. Auf einer Skala von eins bis zehn sind wir bei fünf angekommen“, sagte David Stern. Bezogen auf Deutschland erwähnte der Commissioner die positive Entwicklung in Köln, Hamburg, Oberhausen sowie die geplante Arena der Anschütz-Gruppe, Besitzer der Eishockey-Eisbären, in Berlin. „Es ist noch ein langer Weg. Wir können gemeinsam davon träumen, aber vor dem Ende des Jahrzehnts wird das nichts“, schränkte Stern jedoch ein. Zur Überbrückung könnten NBA-Mannschaften, vielleicht schon ab 2005, ihre Saisonvorbereitung in Europa absolvieren.

Regulären Saisonspielen, wie Ende Oktober in Japan angesetzt, erteilte David Stern für Europa eine Absage – ebenso wie einer Wiederauflage des Turniers „McDonald’s Open“ mit dem NBA-Champion, das zuletzt 1999 in Mailand stattfand. „Aufwand und Kosten sind einfach zu hoch“, erklärte er den NBA-Basketball-Kapitalismus.

Diese Vorlage nahm San Antonios Trainer Gregg Popovich gern auf. „Großartige Sache, da bin ich in einer Minute wieder hier“, sagte er nach dem 105:93-Sieg seiner Mannschaft gegen Memphis, bei dem der ausgeruhte Meister auch von dem strapazenreichen Alternativprogramm seines Gegners profitierte. Die Grizzlies hatten am Montag in Memphis ihr Vorbereitungsspiel gegen die Milwaukee Bucks gewonnen und waren am Dienstag in Paris angekommen, um noch in der Nacht nach dem Duell mit den Spurs gen Barcelona zu reisen, wo sie heute gegen Euroleague-Champion FC Barcelona spielen.

Trotz dieser Belastung hielten die Durchreisenden bis zur 30. (55:59) der 48 Minuten mit. Dann drehte vor heimischer Kulisse Spurs-Aufbauspieler Tony Parker auf. Vor sechs Jahren hatte der noch als Zuschauer bei den McDonald’s Open in Paris Michael Jordan bejubelt. Dieses Mal beklatschten die 14.480 Zuschauer, darunter die französische Fußball-Nationalmannschaft, ihren „Saint Tony“ (L’Equipe), der mit 19 Punkten MVP des Abends wurde.

Wäre sein Trainer Gregg Popovich nicht an der französischen Sprachbarriere gescheitert, hätte der Aufbauspieler noch ein paar Kunststücke mehr am Ball zeigen können. „Tony, Tony, Tony“ forderten die Fans in den letzten Spielminuten den Einsatz ihres Landsmannes. „War es das, was sie gerufen haben?“, fragte Popovich merklich überrascht nach dem Spiel. Nach seinem hoffentlich genussreichen Abstecher in die französischen Provinz sollte ihm so etwas künftig nicht mehr passieren. THORSTEN SCHABELON