„Fehler werden sofort sichtbar“

Die Fachärztin für ästhetisch-plastische Chirurgie, Constance Neuhann-Lorenz, fordert, dass den Patienten die Risiken einer Operation deutlich gemacht werden

taz: Was bringt immer mehr Menschen dazu, einen Schönheitschirurgen aufzusuchen?

Constance Neuhann-Lorenz: Vor unseren Augen findet ein Wertewandel statt. Dem Äußeren wird großer Einfluss zugeschrieben auf den Lebenserfolg des Einzelnen. Die Wissenschaft ermöglicht es uns, unser Erscheinungsbild weitgehend selbst zu bestimmen. Darüber klären die Medien und das Internet auf breiter Basis auf.

Wird der kosmetische Eingriff, heutzutage meistens noch ein chirurgischer, zum selbstverständlichen Lifestyle-Inventar?

So, wie es immer selbstverständlicher wird, in ferne Länder zu reisen. Die Techniken der plastischen Chirurgie sind immer ausgereifter, die Komplikationen nehmen ab. Bei einer Brustoperation, die noch in den 80er-Jahren drei Wochen Krankenhaus bedeutete, muss ich heute den Patienten überreden, drei Tage zu bleiben. Nicht einmal Bluttransfusionen brauchen wir.

Senkt das die Hemmschwelle des Arztes? Erfüllen Sie alle Wünsche?

Für mich ist die Hemmschwelle eher höher geworden. Wenn eine Frau ihren normalen Busen auf Playboy-Niveau steigern will, lehne ich die Operation ab. Die Frau möchte eine Modesituation zu ihren Gunsten ausnutzen, die sie sicher nicht glücklich macht. Davon bin ich fest überzeugt. Der Fall liegt anders, wenn junge Frauen unter einem zu großen oder zu kleinen Busen wirklich leiden. Das kann ich verstehen. Im intensiven Gespräch versuche ich herauszufinden, wie ich ihnen ein ungestörtes Körperbewusstsein geben kann.

Wer kommt zu Ihnen? Sind es die Leserinnen der Beauty-Magazine?

Zu uns kommt alles, völlig querbeet. Es sind junge und alte Männer und Frauen aus allen sozialen Schichten. Faszinierend ist, wie viele ältere Frauen kommen, die im Alter das tun, was ihnen vorher Eltern und Ehemänner unmöglich gemacht haben. Allerdings muss auch da eine ernst zu nehmende Deformation vorliegen wie eine riesige Nase, die verkleinert werden kann.

Heute kann jeder Arzt im Nebenberuf zum „Schönheitschirurgen“ werden. Sind das ein paar schwarze Schafe, oder ist esschon eine ganze Truppe?

Große Verlage von Fachzeitschriften gründen Akademien, um Schönheitschirurgen im Schnelldurchlauf auszubilden. Diese Mediziner machen es nebenher, ohne es wirklich gelernt zu haben. Da wird ein starkes finanzielles Potenzial vermutet. Bei schwindendem Einkommen der Ärzte ist das nachvollziehbar und auch nicht unanständig. Aber diese selbst ernannten Schönheitschirurgen lösen durch ungebremste Werbung den gestiegenen Bedarf aus.

Welche Folgen kann das haben?

Selbst bei ausgebildeten Fachärzten der ästhetisch-plastischen Chirurgie treten bei zirka neun Prozente der Eingriffe zum Fettabsaugen Komplikationen auf. Bei unserem Job kann man nichts vertuschen. Fehler werden sofort sichtbar. Diese Risiken müssen dem Patienten deutlich gemacht werden. Ohne Facharztausbildung für plastische Chirurgie hat der Arzt einen viel zu oberflächlichen Zugang zu den Bedürfnissen des Patienten.

INTERVIEW: EVA OPITZ