Stell dir vor, es ist Europa-Wahl ...

... und niemand geht hin. Acht Tage vor dem Urnengang ist das Interesse am Parlament der 25 Länder eher gedämpft. CDU und FDP hoffen auf Watschen für die SPD, FDP hofft überhaupt, Grüne auf den zweistelligen Bereich

Aus HannoverKai Schöneberg

Die europäische Botschaft scheint noch nicht bei allen Wählern angekommen zu sein. „Euch Politiker sollte man alle erschießen!“, wütet der alte Herr mit Krückstock in die Diskussion zum Genfood am Freizi Vahrenwalde in Hannover, als Stargast Bernd Lange gerade die EU-Gengesetze preist. 30 Zuhörer hatte EU-Parlamentarier Lange (siehe Interview) erhofft. Inklusive Podium kamen zu Bier und Grillwurst gerade 29.

In Europa ist der Wurm drin: Das Mikro knackst, der Beifall ist mau. Aber auch die Episode mit dem Senior ist symptomatisch für die Wahlen zum EU-Parlament am 13. Juni. Der Mann wird sich kaum über den Streit um die Privatisierung der Wasserwerke oder über den EU-Beitritt der Türkei aufgeregt haben, sondern über Sozialabbau oder Mautdesaster. Klar, dass Angela Merkel gestern bei ihrem Wahlkampf-Besuch in Hannover irgendwann den CDU-Slogan „Deutschland kann mehr“ nutzte, klar auch, dass Franz Müntefering heute hier die SPD als „Friedensmacht“ preisen wird.

Berliner Themen beherrschen den Wahlkampf. Dabei haben die neun niedersächischen Abgeordneten ihrer Meinung nach in der vergangenen Legislatur viel in Brüssel und Straßburg bewegt: Die Hildesheimerin Godelieve Quisthoudt-Rowol (CDU) hat sich für Forschungs-Milliarden engagiert, Feleknas Uca (PDS) aus Celle die Kurdenproblematik thematisiert. Garrelt Duin (SPD) aus Ostfriesland sieht als „größten Erfolg“, dass er die Wiedereinführung der Werftenhilfe durchgeboxt hat. Klar ist dem Osnabrücker Hans-Gert Pöttering (CDU) aber auch, dass er seine Bekanntheit vor allem einem Briefbombenattentat im Januar zu verdanken hat – dabei ist der Chef der EVP-Fraktion seit 25 Jahren dabei.

Während es die PDS laut Umfragen diesmal wohl nicht mehr schafft und die FDP zittern darf, dürften die Grünen demnächst wieder eine Frau aus Niedersachsen ins EU-Parlament schicken: Rebecca Harms als Nummer 1 auf der Liste peilt derzeit bundesweit sogar ein zweistelliges Ergebnis an – fast doppelt so viel wie 1999.

Landeswahlleiter Karl-Ludwig Strelen ahnt wegen der schwächelnden Briefwahl-Nachfrage schon jetzt Böses für den 13. Juni und hofft, „dass wir nicht unter die 40-Prozent-Marke sinken“. 1999 waren noch 44, 2 Prozent der Niedersachsen zur Wahl gegangen. Damals hatte die CDU hier 47,2, die SPD 39,6, die Grünen 6,1 und die FDP 2,7 Prozent errungen.