Öger tourt nach Brüssel

Der Hamburger Reiseunternehmer Vural Öger nimmt Kurs auf das Europäische Parlament und lässt dabei keinen Fettnapf aus

„Wenn man in Deutschland keinen Witz mehr machen kann, weiß ich auch nicht mehr weiter“

Hamburg taz ■ Der besondere Humor von Vural Öger, der sich in Zukunft für die SPD als Europa-Abgeordneter versuchen will, ist stets für eine Schlagzeile gut. Zuerst wurde der Reiseunternehmer (Öger Tours) Mitte Mai mit dem Ausspruch zitiert, deutsche Frauen seien „gebärfaul“, dann eckte er auch mit der eilig hinterhergeschobenen Korrektur an: „Es geht einfach nicht, dass 40 von 100 deutschen Frauen keine Kinder auf die Welt bringen, dass unsere Renten in Gefahr sind“. „Frauenfeindlich“ und „reaktionär“, schimpften Politiker aller Parteien.

Kaum hatte sich der Rauch verzogen, trat der 62-Jährige erneut ins verbale Abseits. „Das was Süleymann mit der Belagerung Wiens begonnen hat“ würden nun die in Deutschland lebenden Türken mit ihren „kräftigen Männern und gesunden Frauen“ vollenden. Die „ethnisch deutsche Bevölkerung“ werde bis zum Jahr 2100 „auf 25 Millionen Menschen zurückgehen, der Anteil der ausländischen Bevölkerung auf 35 Millionen ansteigen“ orakelte Öger und bediente damit die Angst vor einer Überfremdung der Republik.

Öger, 1942 in Ankara geboren, kam 1960 nach Deutschland und stieß bald auf eine Marktlücke: Für die türkischen Gastarbeiter gab es keine Direktflüge an den Bosporus. 1969 begann Öger Flugzeuge zu chartern – der Beginn seines Aufstiegs zum mittlerweile fünftgrößten deutschen Reiseveranstalter.

Sein Engagement, dass ihn jetzt in die Politik führt, reicht weit über seine touristische Pionierarbeit hinaus. Im Mai 2000 berief ihn Otto Schily in die Zuwanderungskommission der Bundesregierung, zweieinhalb Jahre später trat der türkischstämmige Deutsche in die SPD ein, die ihn – auf Drängen der Parteispitze – auf dem sicheren Listenplatz zehn zum Kandidaten für die Europawahl kürte.

Der 62-Jährige ist alles andere als ein Anhänger weitreichender Einwanderungserleichterungen. Jedes Land müsse mit Blick auf seine eigenen Interessen selber entscheiden, wen es hineinlasse und wen nicht. Zudem gilt Öger als vehementer Verfechter von EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Geburtsland, auch wenn er „die Türkei von heute für nicht beitrittsfähig hält“. Im Europäischen Parlament will der Träger des Bundesverdienstkreuzes, der sich als „überzeugten deutschen Staatsbürger und Europäer mit einem großen türkischen Herzen“ bezeichnet, vor allem für den „Erhalt der Sozialsysteme“ einsetzen.

Damit er sich auch auf dem politischen Parkett erfolgreich bewegt, haben ihm seine Parteifreunde geraten, die ihm eigene Ironie deutlich sparsamer einzusetzen. Was schwerfällt. Öger: „Wenn man in einem Land wie Deutschland keinen Witz mehr machen kann, weiß ich auch nicht mehr weiter.“

Marco Carini