Schlammpeitzger bricht Koalitionsvertrag

Eine vom CDU-Umweltsenator in Auftrag gegebene Studie belegt: Die EU-geschützten Schlammpeitzger schwimmen überall im Hollerland. Das müsste komplett als FFH-Gebiet angemeldet werden – entgegen dem Beschluss von SPD und CDU

Bremen taz ■ Er hat die rote Linie übertreten. Der EU-geschützte Schlammpeitzger lebt im gesamten Hollerland und nicht nur im hinteren Teil. Das ist das Ergebnis einer von CDU-Umweltsenator Jens Eckhoff in Auftrag gegebenen Fisch-Zählung. Die von SPD und CDU im Koalitionsvertrag geschaffene imaginäre Grenze, die das Feuchtgebiet in zwei unterschiedlich wertvolle Flächen teilen wollte, ist damit hinfällig. Eckhoff müsse jetzt das Hollerland komplett und vollständig als EU-Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) anmelden, fordert BUND-Geschäftsführer Martin Rode.

SPD und CDU hatten im Koalitionsvertrag vor einem Jahr den vorderen Teil des Hollerlands als Erweiterungsfläche für den Technologiepark reserviert – FFH-Schutz ausgeschlossen. Umweltsenator Eckhoff meldete daher nur die hinteren zwei Drittel des Feuchtgebiets in Brüssel an. Nur dort, so seine Begründung, sei der EU-geschützte Schlammpeitzger zuhause. Davon würde sich auch die EU überzeugen lassen, war er sicher.

Eckhoff lag falsch. Die EU-Beamten bestanden wie Umweltschützer und Grüne darauf, das Hollerland als Ganzes zu schützen. Die bedrohten Fische hielten sich schließlich nicht an rote Linien, die der Bremer Senat auf einem Papier zeichne, sondern besiedelten den ganzen Lebensraum.

Das ist nun erneut bestätigt. „Es sind auf jeden Fall eine ganze Menge Schlammpeitzger gefunden worden“, sagt Heiko Brunken von der Hochschule Bremen. Seine Mitarbeiter waren an den Zählungen selbst beteiligt. „Wir haben nicht nur einzelne Tiere gefunden“, bestätigt auch der Leiter der Untersuchung, BioConsult-Chef Jörg Scholle. Dem Vernehmen nach sollen sogar mehr geschützte Fische aufgetaucht sein als bei der Zählung vor fünf Jahren. Die Fundliste habe man sofort an die Auftraggeber weitergeleitet, sagt Scholle.

Eckhoff selbst bemühte sich gestern, die Funde herunterzuspielen. Es sei „keine Überraschung“, dass man auch im vorderen Teil des Hollerlands Schlammpeitzger gefunden habe, sagte er der taz. Man müsse die Ergebnisse aber zunächst „auswerten“.

Auf die genaue Auswertung der Daten, die in den nächsten Monaten folgen soll, sei es der Behörde beim Thema Schlammpeitzger überhaupt nicht angekommen, sagt dagegen Brunken. „Es ging nur darum: Sind die Tiere da oder nicht.“ Wegen der „politischen Bedeutung“ habe man die Schlammpeitzger-Suche im Hollerland sogar vor allen anderen Zählaufträgen durchgeführt.

Grundsätzlich hat Eckhoff jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder er meldet das gesamte Hollerland nach Brüssel. Damit würde er den vor einem Jahr geschlossenen Koalitionsvertrag mit der SPD brechen. Eine Komplett-Meldung wäre auch eine Ohrfeige für Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Der brüstete sich noch vorgestern in der Bürgerschaft damit, dass er – einen Großinvestor vorausgesetzt – überhaupt kein Problem damit habe, das gesamte Hollerland platt zu machen. Um die leidigen Schlammpeitzger los zu werden, hatte Scherf schon vor Jahren den Einsatz von Hechten empfohlen.

Weigere sich Eckhoff nun weiterhin, das gesamte Naturschutzgebiet nach Brüssel zu melden, stelle das „eine deutliche Kriegserklärung an die EU dar“, warnte BUND-Chef Rode. Mit seinem Versprechen von Anfang des Jahres, die Meldung vom Ergebnis der Zählung abhängig zu machen, stehe der Senator im Wort. Bei einem großen Bestand an Schlammpeitzgern, kündigte der gestern schon einmal an, „werden wir sicherlich nochmal bewerten müssen, ob die getroffenen Senatsentscheidungen so haltbar sind oder nicht.“ sim