Der Fahrradbeauftragte

Eigentlich wollte Günther Jauch Berlins Botschafter auf zwei Rädern werden, doch dann entschied sich der Senat für Benno Koch. Zum Glück

VON UWE RADA

Nein, Bescheidenheit ist seine Sache nicht. Auf den Einfluss des Grünen Dauerradlers Michael Cramer auf die Fahrradpolitik Berlins angesprochen, stellt Benno Koch die Gegenfrage: „Welcher Einfluss?“ Dann sagt er: „Aber im Ernst. Es reicht nicht, immer nur zu fordern. Man muss auch etwas dafür tun, dass diese Forderungen umgesetzt werden können.“

Es ist dieser Pragmatismus, dem sich Benno Koch, der Berliner Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Farradclubs (ADFC), verschrieben hat. Ein Pragmatismus, der durchaus zum Superlativ fähig ist, wie die Fahrradsternfahrt am Sonntag wohl beweisen wird. 250.000 Teilnehmer werden erwartet, so viele wie noch nie.

Dass Michael Cramer, der grüne Radlerfundamentalist, vor einigen Wochen in der taz forderte, Berlin solle die Sternfahrt bewerben wie die Love Parade, hat Koch scherzend als „Populismus“ abgetan. Anders als Cramer, der Oppositionspolitiker, ist Koch, der Fahrradlobbyist, nämlich auf den Senat angewiesen: als offizieller „Fahrradbeauftragter“ der Berliner Landesregierung.

Geht das zusammen? Als Lobbyist fürs Rad zu werben und als Fahrradbeauftragter loyal zu sein? „Kein Problem“, sagt der 37-jährige Hellersdorfer und erklärt das nicht nur mit seiner Unabhängigkeit als Ehrenamtlicher. „Wenn ich weiß, wie die Dinge funktionieren, kann ich sie auch verändern.“

Ohnehin zählt Koch lieber die Dinge auf, auf die Berlin stolz sein kann, als die, die noch im Argen liegen. Zum Beispiel die Fahhradmitnahme in Bus und Bahnen. „Da sind Berlin und Brandenburg bundesweit vorne.“ Oder den Bau neuer Fahrradspuren statt gefährlicher Radwege, an denen die meisten Unfälle passieren. „Da sind wir auf einem guten Weg.“ Oder die prinzipielle Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht. „Ein großer Erfolg.“ Oder die Berliner Bundesratsinitiative zur erweiterten Spiegelpflicht für Lkws. „Da ist Berlin weiter als die Bundesregierung.“

Nein, es ist kein Zielkonflikt, unter dem Koch zu leiden hätte. So redet einer, der seine Sache voranbringen und auch verkaufen kann. Bescheidenheit wäre für Koch wohl so etwas, wie mit angezogener Shimano-Bremse zu fahren.

Sein Coming-out als Fahrradlobbyist hatte der Lkw-Führerschein-Besitzer Benno Koch vor zwölf Jahren. Damals gründete er den Hellersdorfer Verband des ADFC. Seit 1994 arbeitet er im Vorstand des Berliner Landesverbands. Seit zwei Jahren nun ist er Fahrradbeauftragter des Senats, sein Vorgänger Michael Föge war an Krebs getorben. Es war der frühere Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), der sich für ihn eingesetzt hatte, und das, obwohl auch Prominentere als Konkurrenten zur Auswahl standen – der Potsdamer Radfreund Günther Jauch zum Beispiel.

Der Senat wird seine Wahl nicht bereut haben. Mit Benno Koch hat er nicht nur einen unermüdlichen Streiter bekommen, sondern auch einen Verband, der so ganz anders ist, als man es sonst von vielen kennt. „Würde der ADFC Geld bekommen, dann würde man ihm irgendwann das Geld kürzen. Wenn man das Geld kürzte, würde der ADFC sein Angebot einschränken“, sagt Koch. „So einfach ist das.“ In Wirklichkeit aber bekommt der ADFC kein Geld von der öffentlichen Hand und weitet sein Angebot ständig aus: von geführten Radtouren, über die Zeitschrift RadZeit, einen eigenen Laden, eine eigene Reparaturwerkstatt – bis, natürlich, zur Organisation der alljährlichen Fahrradsternfahrt.

Nur eines hat Benno Koch noch nicht geschafft: das Fahrrad in den ICE zu bringen. Richtige Mehrzweckabteile hatte die Bahn AG schon bestellt und sogar bezahlt, da machte Bahnchef Hartmut Mehdorn vor zwei Jahren einen Rückzieher. Aber auch das sieht Koch von seiner positiven Seite. „Mehdorn ist kein Fahrradfeind, er hat nur schlechte Berater.“