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: Helden tragen Helm

Helmut verstaubt. Helmut ist kein Ikeamöbel und auch keine Heimorgel, er ist mein Fahrradhelm. Das aerodynamische Modell ist TÜV-geprüft und verbindet effektiven Schutz vor Kopfverletzungen mit modischem Schick, so jubiliert der Hersteller.

Eine lauwarme Pro-Helm-Initiative der Deutschen Verkehrswacht und des Herstellers Abus verleitete mich zum Fahrradhelmkauf. „Helmut kommt mit“ heißt die Aktion, bei der eine Comic-Schildkröte mit Underdog-Habitus und Namen Helmut Lust auf Helm machen soll. Ehrenvoll wie umsatzsteigernd gedacht, konnte mich Helmut nur kurzzeitig von meiner Helmphobie kurieren.

Tatsächlich verzeichnet meine Helmträgervita nur wenige große Momente. Bei der Jungfernfahrt mit Helmut etwa fühlte ich mich wie die personifizierte Straßenverkehrsordnung. Eine Hauptrolle als vorbildliche Radlerin in der Verkehrssoap „Siebter Sinn“ hätte mir zugestanden. Immerhin, mein Auftritt wurde bemerkt. Andere Fahrradhelmträger nickten mir konspirativ zu. Wir sind die Guten, schienen sie zu raunen. Meine Euphorie trug mich allerdings nicht weit, genauer gesagt, bis zur nächsten spiegelnden Kaufhausfassade. Mein Fahrradhelm und ich, wir waren ein optischer Super-GAU. Clash of aesthetics. Ich sah derangiertes Haupthaar und ein Antlitz gleich dem eines betagten Hush-Puppies. Helmut wanderte in die Verbannung, ich zum Friseur. Seitdem irre ich durch Kaufhäuser und Veloboutiquen auf der Suche nach einem kleidsamen Fahrradhelm. Eine Odyssee. Überhaupt die alten Griechen. Die Helden der Antike gingen noch ganz selbstverständlich mit Helm. Und mit was für welchen! Odysseus zum Beispiel, er setzte in Sachen Helmmode Maßstäbe. Sein steifer Hut sah schweinemäßig aus, verziert mit weißen Hauern. Andere Zeiten, andere Helme.

Es ist ja nicht nur die Optik. Hinzu kommt das diffuse Gefühl, eingeengt zu sein. Das Rad ist zwar nur ein Verkehrsmittel, aber Rad fahren immer auch ein bisschen Freiheit. Pflichten, Arbeit und die Enge der Städte lasse ich hinter mir, wenn es ins Grüne geht. Da ist kein Platz für rationale Überlegungen, der Helm stört bei den Fluchten aus dem Alltag, zieht mich unsanft zurück in die Realität. Allerdings klopft die Realität immer mal wieder an, martert mein Gewissen mit Unfallstatistiken und Bildern von Unfallopfern. Ich glaube, ich werde Helmut noch einmal eine Chance geben. Ich werde tapfer sein. Und vielleicht sollte mir alles egal sein, selbst wenn ich als Rad fahrende Kampfhornisse in die Chronik eingehe. In illustrer Gesellschaft befände ich mich allemal, schließlich wurde ja auch Odysseus für sein Käppi belächelt. CLAUDIA SCHALLENBERG