Lieber mobben als prügeln

Die Jugend in Deutschland ist harmloser als ihr Ruf. Zwar rauchen Teens verglichen mit ihren europäischen Nachbarn besonders häufig und sind im Mobbing Spitze. Dafür prügeln sie seltener

VON BARBARA DRIBBUSCH

Schlechte Nachrichten verkaufen sich gut, schlechte Nachrichten über die Jugend sogar noch besser. So war es kein Wunder, dass Nachrichtenagenturen gestern mit Meldungen aufwarteten wie „Deutschlands Jugend ist mit sich selbst eher unzufrieden, raucht stark und prügelt sich oft“.

Hintergrund der Berichterstattung ist eine neue internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation über die Gesundheitssituation von Jugendlichen in 36 Ländern. Wer diese Studie aber genauer liest, muss zu dem Schluss kommen: Eigentlich geht es den Jugendlichen hierzulande recht gut.

Ziemlich weit vorne liegen die Jugendlichen in Deutschland allerdings beim Rauchen: Fast 29 Prozent der Mädchen und 26 Prozent der Jungen im Alter von 15 Jahren rauchen in Deutschland täglich. Nur in Grönland greifen noch mehr Jugendliche zur Zigarette. „Zigarettenrauchen ist ein Indiz für geringe Lebenszufriedenheit, negative gesundheitliche Selbsteinschätzung und geringen Schulerfolg“, so lautet die Einschätzung von Sozialforscher Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld, die für Deutschland federführend an der Studie mitwirkte. Inwieweit der Tabakkonsum auch eine Frage des positiven Images ist, das hierzulande immer noch mit dem Rauchen verbunden wird, konnte die Studie nicht tiefer ergründen.

Weit vorn liegen Jugendliche hierzulande auch beim „Bullying“, was als eine Mischung aus Mobbing, Anpöbeln und Anrempeln definiert wurde. Jeder dritte 15-jährige Junge in Deutschland hatte in jüngerer Zeit selbst mehrfach auf diese Weise gemobbt. Damit lag Deutschland hinter Litauen und Österreich auf dem dritten Platz.

Interessanterweise aber gaben sehr viel weniger Jugendliche in Deutschland an, selbst Opfer von Mobbing zu sein. In der Schweiz und Frankreich beispielsweise fühlten sich hingegen mehr Jugendliche belästigt als in Deutschland, obwohl es dort laut Umfrage weniger aktive Mobber geben müsste. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Verhaltensweisen in den Ländern unterschiedlich bewertet werden und damit die Umfrageergebnisse beeinflussen.

Beim Prügeln halten sich die Jugendlichen in Deutschland jedenfalls zurück. Ganz vorne liegen die Jungs aus Litauen, Griechenland, Estland und der Tschechischen Republik. – die hiesigen Jugendlichen sind offenbar so friedlich, dass sie einen Platz unter den gewaltärmsten aller Befragten aus 36 Ländern belegen.

Beim Alkoholkonsum liegen die 15-Jährigen in Deutschland auf dem siebten Platz, hinter der Jugend in Wales, England, den Niederlanden, Malta, Dänemark und Schottland. Fast die Hälfte der hiesigen Jungen und ein Drittel der Mädchen in dieser Altersgruppe trinken allerdings mindestens einmal in der Woche Alkohol.

Was das Kiffen betrifft, belegen die 15-Jährigen in Deutschland sogar nur den 16. Platz. Der höchste Anteil 15-Jähriger, die schon mal gekifft haben, findet sich in Grönland. Dann folgen unter anderem die Schweiz, England und die USA vor Deutschland.

Wenn es um unberechtigte Minderwertigkeitsgefühle geht, liegen die Mädchen hier allerdings vorn: 52 Prozent der 15-Jährigen finden sich zu dick, damit liegt Deutschland hinter Belgien auf dem zweiten Platz.

Doch während beispielsweise jedes dritte Mädchen in diesem Alter in Ungarn eine Diät macht, tut dies in Deutschland nur jede fünfte: Bei den Diäten liegen die hiesigen Teenager nur auf dem 21. Platz. Was ja eine gesunde Reaktion ist. Zumal der Konsum von Süßigkeiten unter deutschen Jugendlichen, auch das zeigt die Statistik, erstaunlich gering ist. Nicht mal jeder dritte 15-Jährige isst jeden Tag Süßigkeiten.

Was körperliche Aktivität betrifft, liegen die deutschen Teenager im internationalen Vergleich allerdings ziemlich weit hinten. Aber Ergebnisse können vielschichtig sein: So leben in den USA beispielsweise die meisten übergewichtigen Teenager. Gleichzeitig aber ist der Anteil jener US-Kids, die fünf Stunden in der Woche Sport treiben, im internationalen Vergleich besonders hoch.