DIE AUSSICHTEN FÜR SCHWARZ-GRÜN IN THÜRINGEN SIND GUT
: Bürgerliche Berührungspunkte

Die Dementis klingen wenig überzeugend. Über eine Koalition wolle man mit der CDU zwar reden, verkündete die Thüringer Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckhardt gestern, aber handelseinig werde man sich wohl nicht. Ähnlich skeptisch hatte sich Berlins SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit vor drei Jahren über die PDS ausgelassen – und sich wenig später von ihr wählen lassen. So wie die PDS für stramme Westberliner Antikommunisten, so ist auch die CDU für viele Grünen-Wähler geradezu der Gottseibeiuns.

Deshalb sagt man vor dem Wahltag am nächsten Wochenende lieber nicht so laut, dass die Chancen für Schwarz-Grün in Thüringen ganz gut stehen. Verliert die CDU tatsächlich ihre absolute Mehrheit, wäre es noch die reibungsärmste unter den drei Koalitionsoptionen – verglichen mit einer großen Koalition und einem wackligen Dreierbündnis aus Grünen, SPD und PDS.

Ein sehr bürgerlicher Grünen-Verband und eine vergleichsweise liberale CDU – das ist eine Konstellation, wie sie schon den ersten schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen auf Länderebene 1992 in Baden-Württemberg zugrunde lag. Doch war der damalige CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel nicht der Mann, ein solches Experiment zu wagen. Der in der kurmainzischen Statthalterei zu Erfurt residierende Dieter Althaus hingegen schon.

Zwar waren die Zeiten für Schwarz-Grün schon mal günstiger. Seit sich der heimliche Grünen-Vorsitzende Joschka Fischer als Sozialdemokrat outete und seiner Partei die wirtschaftsliberalen Flausen wieder austreiben will, ist die Distanz zur CDU gewachsen. Der Streit um das Zuwanderungsgesetz tut ein Übriges. Aber auf Landesebene wird über Sozialgesetze nicht entschieden – und um das Zuwanderungsgesetz zu verabschieden, kommt es auf Thüringen nicht mehr an. Hier geht es um Themen wie Bildung oder die in Thüringen sehr wichtige Kultur, wo es zwischen CDU und Grünen einige Berührungspunkte gibt. Unter diesen günstigen Voraussetzungen könnten die beiden Parteien die Zusammenarbeit proben – um sie später auch in Bundesländern zu praktizieren, in denen sie jetzt noch nicht vorstellbar ist. Das wäre sinnvoll für beide Parteien. RALPH BOLLMANN