Es muss nicht immer Kaviar sein

Moskau und Brüssel legen ihren Streit um Fleischexporte nach Russland bei. Kreml sperrt sich gegen gleiche Konditionen beim Handel mit den neuen EU-Mitgliedern in Osteuropa. EU war gewarnt: Neue Regeln hätten schon am 1. Mai greifen sollen

AUS MOSKAUKLAUS-HELGE DONATH

Brüssel und Moskau haben ihren Streit um Fleischimporte aus der Europäischen Union nach Russland weitgehend beendet. Russland habe der EU zugesagt, die am Montag gestoppten EU-Ausfuhren wieder zuzulassen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission gestern. Hintergrund für die Einigung war ein Telefongespräch zwischen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und dem russischen Ministerpräsidenten Michail Fradkow.

Der Handelskonflikt kam für die Europäer überraschend. Russland und Europa gehörten zusammen wie Wodka und Kaviar, hatte sich EU-Kommissionspräsident Romani Prodi noch vor zwei Wochen beim letzten EU-Russland-Gipfel in Moskau gefreut. Russland hatte eine EU- Empfehlung für den WTO-Beitritt in der Tasche und Brüssel ein recht luftiges Versprechen, Moskau werde das Kioto-Protokoll unterzeichnen. Doch am 1. Juni stoppte Russland die Fleischeinfuhr aus der EU. Das Landwirtschaftsministerium begründete das mit neuen veterinärmedizinischen Bestimmungen, denen die Importe aus der EU nicht entsprächen.

Bislang waren diese Zertifikate zwischen den einzelnen Länder und Russland vereinbart worden. Nach der Osterweiterung der EU verlangte Moskau eine einheitliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für alle EU-Importe. Das aber sei nach EU-Standards rechtlich nicht durchzusetzen, hieß es aus Brüssel. Die EU exportiert jährlich Agrarprodukte für 1,3 Milliarden Euro nach Russland.

Dabei war die EU gewarnt: Eigentlich wollte Moskau die neuen Regeln schon am 1. Mai einführen, gewährte der EU indes noch eine Schonfrist bis Anfang Juni. Der Hintergrund des Streits: Russland weigerte sich, die EU-Handelsvereinbarungen automatisch auf die neuen EU-Mitglieder in Osteuropa zu übertragen. Die Eingliederung der ehemaligen sowjetischen Satellitenstaaten begreift der Kreml als eine Amputation seiner natürlichen Interessensphäre. Experten vermuten daher, dass der Kreml dem Landwirtschaftsministerium die Anweisung zum Importstopp erteilt hat. Hygienebedenken und -bestimmungen werden kaum eine Rolle gespielt haben. Denn noch zu Sowjetzeiten deckte Russland vornehmlich seinen Fleischbedarf aus diesen Ländern, deren Produkte wegen der besseren Qualität hoch geschätzt wurden.

Heute indes macht der Anteil der Fleischimporte aus den ehemaligen Ostblockstaaten einen verschwindend geringen Teil aus. Ohnehin scheinen sich russische Fleischimporteure umzuorientieren: Lateinamerika böte gleichwertiges Fleisch zu 25 Prozent niedrigeren Preisen, verlautete aus dem russischen Fleischverband.